Die Königin von Saba – Vom Rätsel(n) um eine große, kluge Frau der Bibel

Die Königin von Saba ist eine bedeutende Gestalt der Alten Welt: Eine Königin mit unermesslichem Reichtum und eine Frau von großer Weisheit. Sie wird nicht nur im Alten Testament (1. Könige 10, 1-13) und Neuen Testament (Mt 12, 42) erwähnt, sondern auch im Koran und in zahlreichen jüdischen Quellen.

Ulfrid Kleinert, Pfadfinder und emeritierter Professor für Diakoniewissenschaften, hat sich auf die spannende Suche begeben und ihre Spuren vom Jemen und Äthiopien bis nach Jamaika verfolgt. Denn auch im Rastafarismus spielt die Königin von Saba eine Rolle.

anp interviewte Ulfrid Kleinert.

anp: Was fasziniert dich an der Königin von Saba? Was war deine Motivation, sich so intensiv mit ihr zu beschäftigen?

Ulfrid: Einmal ist es natürlich die Geschichte selber, wie sie im 1. Buch der Könige erzählt wird: typisch orientalisch mit sehr viel Geheimnisvollen darin. Warum kommt sie überhaupt? Welche Rätsel stellt sie dem König Salomo? Wieso ist eine Frau so wagemutig, einem Mann Fragen zu stellen und ihn damit sozusagen zu testen?

Das war sehr ungewöhnlich. Außerdem kommt sie aus dem entferntesten Land nach Jerusalem. Das ist alles ganz fantastisch erzählt. Ihr Reichtum, aber auch wie der Hofstaat von Salomo aussieht wird sehr ausführlich geschildert. Aber in den theologischen Fragen ist die Geschichte sehr offen formuliert. Man kann sehr viel Fantasie da hinein legen kann, was da zwischen den beiden eigentlich passiert ist. Außerdem ist die Königin von Saba eine sehr selbstbewusste Frau, ein Muster für den frühen Feminismus.

Als ich im Jemen unterwegs war, habe ich gemerkt, wie wenig die Einheimischen und die Fremdenführer dort über die Geschichte wussten. Da dachte ich: Der Sache musst du mal nachgehen.

anp: Du warst im Jemen unterwegs. Hat man dort den Palast der Königin von Saba gefunden?

Ja, der Palast der Königin von Saba wird einem dort von den Einheimischen so gezeigt. Wobei die Königin von Saba in der muslimischen Tradition ja später einen Namen bekommt: Bilqis. Und in Marib, der Hauptstadt des sabäischen Reiches, gibt es Ausgrabungen, die die Einheimischen zum Beispiel „Thron der Bilqis“ nennen. Sie meinen also den Thronsaal, aber in Wirklichkeit ist es eine Tempelanlage mit Vorhof, Haupthof und Altar.

anp: Welche aktuelle Bedeutung hat die Königin von Saba in den Religionen Judentum, Christentum und Islam heute?

Sie hat ja eine große Geschichte in allen drei Religionen: In der jüdischen Tradition wird ihre Geschichte mehrfach aufgenommen. Sie ist hier eine emanzipierte Frau.

Im Christentum ist sie im Neuen Testament für Jesus ein Vorbild für die gegenwärtige Generation: Jesus sagt: Nehmt Euch ein Beispiel an ihr. Sie ist aus der Ferne gekommen, um Salomo, den Friedensfürst, kennenzulernen, und sie hat keine Mühe gescheut. Genauso soll die gegenwärtige Generation davon inspiriert werden, was Jesus als Friedensfürst mit sich bringt. Doch die gegenwärtige Generation realisiert dies nicht, obwohl sie keine große Reise antreten muss. Deshalb soll man sich an der Königin von Saba ein Beispiel nehmen. Später wird dann in der christlichen Tradition die Frage nach ihren Rätseln gestellt: Was für Rätsel hat die Königin von Saba eigentlich gestellt? Was hat Salomo darauf geantwortet? So entstand im Mittelalter eine große Palette von Rätseln.

Und im Islam gibt es ja eine eigene Sure über die Königin von Saba im Koran. Die Sure 27 erzählt die Geschichte so, dass die Königin von Saba im Grunde genommen von Salomo bekehrt werden muss. Und das ist der Clou dieser Überlieferung.

anp: Stichwort Rätsel: Es wird gerätselt, welche Rätsel die Königin von Saba König Salomo gestellt hat. Hast du von diesen vielen Rätseln, die da in den unterschiedlichen Traditionen überliefert sind, ein „Lieblingsrätsel“?

Ja! Es ist das Rätsel, das nicht gelöst wird. Denn nicht alle Rätsel werden gelöst. Das Rätsel stammt aus der muslimischen Tradition, wo sie Salomo nach dem Wesen Gottes fragt. Als Salomo dies hört, fällt er in Ohnmacht. Als er wieder aufwacht, fragt er: „Was hast du mich gefragt? Das muss etwas gewesen sein, was du mich nicht hast fragen dürfen“. Und sie stellt dann diese Frage auch nicht mehr, denn sie bemerkt, dass sie dort ein Tabu berührt hat. Dieses Tabu ist, dass wir das Wesen Gottes nicht enträtseln können. Wir können gar nicht genau wissen, wer Gott ist. Und dahinter steckt dann noch eine andere Dimension, nämlich dass man sich durch Rätsel kennenlernt. Das war einst höfisches Spiel. Der Rätselsteller als Überlegener stellte dem anderen Fragen. Es war meistens ein Spiel unter Männern. Ein Ritual des Kennenlernens.

anp: Das machen ja auch heutzutage Kinder gerne, sich gegenseitig Rätsel zu stellen.

Genau! Beim Rätseln geht es um die andere Person, die man gerne kennenlernen möchte. Und auch für die andere Person gilt genauso wie bei Gott: Wir können das Wesen des anderen nie ganz enträtseln. Deswegen ist dies mein liebstes Rätsel.

Wir stoßen im Rätselraten beim Durchbrechen von den Geheimnissen, die da zwischen Menschen oder zwischen Mensch und Gott existieren, nie ganz klar auf eine eindeutige Lösung, sondern es bleibt immer etwas Geheimnisvolles übrig.

Diese Einsicht scheint mir gerade heute besonders wichtig zu sein, vor allem angesichts der Tatsache, dass wir über das Internet immer mehr von unseren Daten bloßlegen, so als ob wir uns da kennenlernen könnten.

anp: Das war ein weiter Bogen: von der Königin von Saba und Salomo bis zum Internet. Vielen Dank für dieses Interview!

Das Interview führte Andreas Witt, Hamburg.

 

Zum Weiterlesen: Ulfrid hat seine Forschungsergebnisse in einem Buch veröffentlicht: U. Kleinert, Das Rätsel der Königin von Saba, Darmstadt 2015 (ISBN 978-3-8053-4713-6).

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