16. World Jamboree 1987 / 1988 – Australien

von Therese Zimkowsky

Troop 721 – Lower Saxony – Subcamp Koala – so lautete die Anschrift des Trupps, der sich zu einem Wiedersehen nach 30 Jahren auf dem Jugendzeltplatz Almke vom 19. bis 21. Januar 2018 traf.
Das Treffen wurde von der einstigen Truppleitung organisiert und durchgeführt.

Das Datum zum Wiedersehen wurde sehr bewusst gewählt, weil am 20. Januar 1988 das Flugzeug aus Sydney Richtung Rom startete, von wo aus die einzelnen Trupps ihre letzte Etappe nach Hause antraten.

Foto: Therese Zimkowsky

Über Weihnachten und Neujahr erlebten die VCP-Trupps eine außergewöhnliche Maßnahme in drei Teilen:

  1. Familienaufenthalt vom 22. bis 30. Dezember 1987 in der Region der Blue Mountains, New South Wales, westlich von Sydney
  2. World Jamboree vom 31. Dezember 1987 bis 09. Januar 1988 mit ca. 15.000 Pfadfinderinnen und Pfadfindern im Cataract Scout Park, Campbelltown, New South Wales
  3. Nachprogramm der Trupps vom 10. bis 19. Januar 1988, das den Trupp Niedersachsen nach Queensland entlang der Küste bis Cairns führte

Zum VCP-Trupp 721 gehörten gesamt 43 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus Niedersachsen inclusive ihrer vierköpfigen Truppleitung. Wer nach so vielen Jahren ein Wiedersehen organisiert, kann auch mit traurigen Nachrichten konfrontiert werden. Wir trauern um drei Truppmitglieder, die wir im Raum der Stille wieder in unsere Runde aufnahmen und an sie dachten. Zu den Familien der Verstorbenen besteht ein guter Kontakt. Schön war der Besuch von Sandra Pasch mit ihren beiden Töchtern, die ihren Vater sehr früh verloren und die Gelegenheit wahrnahmen, viel über ihren Vater zu erfahren von Menschen, die ein gemeinsames Erlebnis mit ihm hatten. Sie fühlten sich wohl, gehörten wie selbstverständlich dazu.

Fotos: Therese Zimkowsky

Von den 40 Verbliebenen wollten 33 zum Wiedersehen kommen. Einige mussten aus Berufs- und Krankheitsgründen kurzfristig wieder absagen. Immerhin trafen sich 28 Mitglieder, die aus USA, Bayern und Norddeutschland anreisten.
Aus Wolfsburg gehörten zum Trupp drei Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, die ebenfalls am Wiedersehen teilnahmen und sich sofort wieder in die Runde einfügten.

Alles in allem herrschte an diesem Wochenende die gleiche Vertrautheit wie vor 30 Jahren. Allein für dieses Gefühl und für diese Erfahrung hat sich das Wiedersehen gelohnt.

Ein tolles Erlebnis war auch das Aufklingen des einstigen sangesstarken Trupps, der damals in der Lage war, Touristen vom Strand zu holen, sobald jemand die Gitarre erklingen ließ. Die Sangesfreude ist immer noch vorhanden und teils konnten wir die einstige Stimmenqualität wieder abrufen, zumindest aber nachempfinden.

Es war schön und interessant zu hören, was aus den damaligen Jugendlichen geworden ist. Wir wollten am Wochenende über die persönlichen Erzählungen hinaus als wichtiges Thema die Gestaltung des Lebens im Hier und Jetzt erfahren. Darüber wurde nicht theoretisiert und das gelang sehr gut. Es wurde deutlich, dass viele heute ein intensives gesellschaftliches Engagement in ihrem Wohn- und Lebensbereich leben.

Bei einem weiteren inhaltlichen Punkt unterstützte Ulrich Delius, der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker. Er hielt ein sehr interessantes Referat über das Verständnis und über die Anerkennung der Aboriginal People, zu dem sich gerade in den letzten 30 Jahren in Australien sehr viel entwickelt hat, was während der Olympiade 2000 weltweit öffentlich und sichtbar wurde. Ulrich Delius war angetan vom anschließenden Gespräch und war beeindruckt über die hohe Sensibilität der Beteiligten. Diese Einschätzung des Referenten bezeugt, was wir eigentlich wissen, ahnen und hoffen, dass unsere Bemühungen nachhaltig sind, wenn jungen Menschen selbstverantwortliche Lern- und Erfahrungsfelder zur Verfügung stehen.

Unser vorhandener Truppfilm ist digitalisiert, wird aber demnächst neu nach den heutigen technischen Möglichkeiten zusammengestellt. Das freute alle Anwesenden, die schon den alten Film genossen und gespannt auf die neue Version warten.

Wir sind dankbar für die Reflexionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Jemand schrieb: „Das Wochenende war sehr schön und hat gut getan. Unterwegs wurde mir bewusst, warum: Es hat mich komplett gefordert und damit gänzlich aus meinem Alltag geholt. Ein Wochenende ganz ohne Gedanken an das, was getan und erledigt werden muss. Es galt nur das Hier und Jetzt! Lebe jetzt! Das war gut! Mehr davon!“

Foto: Therese Zimkowsky

Aus dem Bericht für den Jugendhilfeausschuss vom März 1988

  1. Unser Webrahmen am Eingang zum Truppgelände diente der Kommunikation. Das Weben und das Reden wurden intensiv genutzt. So besuchte uns z.B. regelmäßig ein neuseeländischer Pfadfinder, der durch die Schule sehr viel über die Bundesrepublik Deutschland wusste. Und weil er, wie er meinte, aus einem eher „weltpolitisch unwichtigen Land“ kommt, das über kein Militär verfügte, wollte er unbedingt von Deutschen wissen,  wie es denn so sei mit der Situation in Ost und West und wie es sich mit dem Militär auf beiden Seiten verhält. Unsere Truppmitglieder waren stark gefordert, Position zu beziehen und Meinung zu äußern.
  2. Die Wirkung der Medien war bei einigen Beobachtungen unserer Truppmitglieder unübersehbar, wie hier zum Thema Apartheit. Einige Truppmitglieder kamen von einem Besuch bei den südafrikanischen Pfadfindern ziemlich entrüstet zurück. Zum Trupp gehörten lediglich zwei farbige Pfadfinder, die abseits der anderen Zelte in einem separaten Zelt untergebracht waren. Die Entrüstung und die Sensibilität für Ausgrenzungen galten nur für Südafrika, nicht für andere Nationen, in deren Trupps ebenfalls kaum Mitglieder anderer ethnischer Zugehörigkeiten vorhanden waren. Gespräche darüber und über die Entwicklung einer gesellschaftlichen Wandlung schlossen sich unter denen an, die dasselbe Erlebnis hatten.
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