Auf dem Weg zu einem adventlichen Leben

Der Advent ist eine verrückte Zeit. Sie soll von Ruhe geprägt sein, Besinnlichkeit. Die Adventstage sind eigentlich dazu gedacht, über das Leben nachzudenken, sich auf Weihnachten hin auszurichten, Liebe zu geben, auf Frieden zu hoffen und gespannt die Geburt Jesu und ihre Bedeutung für unsere Gegenwart zu erwarten.

Und doch rennen die Leute durch die Straßen als ob es kein Morgen gäbe. Die Kaufhäuser werden leer gekauft, auf der Arbeit müssen noch die letzten Aufgaben vor Weihnachten abgeschlossen werden, die Schule zieht nochmal an und lässt in fast jedem Fach Klausuren schreiben, der Weihnachtsbaum soll geschmückt, Plätzchen gebacken, und Geschenke organisiert und verpackt werden. Statt dem Leben zu gedenken, wird es in vollen Zügen gelebt… Nur genießen kann man es manchmal schwer. Zu stressig ist alles, was passiert und zu sehr drückt sich der Alltag in die Besonderheit dieser Zeit hinein.

Aber… hinter der Fassade dieses Trubels scheint sich etwas zu regen. Wenn man in die Gesichter der Menschen blickt, die da durch die Straßen eilen, sind sie nicht nur vom Stress gezeichnet. Ja, die Menschen sind außer Atem. Ja, die Menschen machen sich Sorgen, ob sie alles rechtzeitig schaffen werden. Aber sie strahlen auch. Sie begutachten die gekauften Güter und stellen sich die herzliche Freude vor, die ihre Lieben beim Auspacken empfinden. Häufiger als sonst, so kommt es mir zumindest vor, sieht man, wie Menschen anderen die Türen aufhalten, jüngere Menschen älteren den Platz im Bus oder Zug anbieten und sich alle mehr miteinander unterhalten.

Vor einigen Jahren habe ich im Rahmen eines Schulprojekts an Obdachlose in Freiburg Essen verteilt und dabei auch einige gute Gespräche führen können. Eine Frau erzählte mir, dass der Advent die schönste Zeit für sie sei. Sie erzählte mir, dass die Spenden, die sie bekommt, meistens gerade so für ihre Hunde reichen. Aber im Advent sind die Menschen, die ihr begegnen, gebefreudiger. Noch viel wichtiger: plötzlich wird sie gesehen. Leute bleiben stehen und reden mit ihr. Zuvor mag sie sich allein oder ausgeschlossen gefühlt haben, aber im Advent gehört sie dazu, sie ist ein Mitglied der Gesellschaft. Auch ihr kommt Respekt und Anerkennung zu.

Die Besonderheit des Advents mag also vielleicht nicht in der Besinnlichkeit liegen. Aber er ist durchaus eine Zeit, in der sich Menschen aktiv zur Liebe hin öffnen. Eine Zeit, in der viele Menschen fröhlicher wirken und diese Freude auch weitergeben möchten. Eine Zeit, in der jede und jeder dazugehören darf. Diese schönen Seiten des Advents lassen mich hoffen, dass sein Licht, das an Weihnachten zu seiner Vollkommenheit findet, auch in den Rest des Jahres hineinstrahlt.

Der Advent ist eine zwar verrückte, aber auch wunderschöne und leider nur kurze Zeit. Vielleicht aber, und diese Hoffnung bleibt, überdauern ihre guten Seiten diese vier Wochen und wir üben nach und nach ein adventliches Leben ein.

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