Feuergötter, Tee und Hakenkreuze… Erstaunliches aus japanischen Religionen

Nächstes Jahr fahren 465 Pfadfinderinnen und Pfadfinder zum Jamboree nach Japan. Eine Reise voller Nervenkitzel. Philipp v. Stockhausen aus der Kontingentsleitung war 2004 schon in Japan und hat sich mit japanischen Religionen beschäftigt.

Es kitzelt ein bisschen in der Wade. Langsam kribbelt es auch im Oberschenkel. Und es breitet sich aus, jetzt kitzelt, zwickt und kribbelt es im ganzen Bein. Ich würde es gerne ausstrecken und nicht mehr im Schneidersitz sitzen müssen, aber das geht nicht. Auf keinen Fall bewegen, wenn die Beine einschlafen, so lautete der Tipp. „Der größte Fehler ist es, wenn du deine Beine bewegst, dann kribbelt, kitzelt und zwickt es nur noch mehr.“ so hat es mir mein Gastgeber gesagt. Tom kommt aus England und lebt schon lange in Japan. Er hat mich zu einer japanischen Teezeremonie eingeladen.

Dabei kniet man gemeinsam in einem traditionell japanisch gestalteten Raum auf dem Fußboden. Ich durfte im Schneidersitz sitzen, das ist schon bequemer als auf den Knien. Der Gastgeber oder die Gastgeberin ist meistens in einen Kimono festlich gekleidet und bereitet für jeden Gast den Tee zu. Ganz langsam und kunstvoll wird jede einzelne Bewegung ausgeführt. Jeder Schritt ist genau festgelegt: Wo die einzelnen Gegenstände, wie die Teeschale, der Löffel für das Teepulver oder der Teebesen stehen, wann welches Gerät benutzt wird und auch, wie es sauber gemacht wird.

Das ist sehr schön anzusehen, aber es dauert. Und je länger es dauert, umso mehr schlafen mir die Beine ein. Zum Glück sind wir nur drei Gäste, so dass die Teezeremonie schon nach etwa einer Stunde zu Ende geht. Ich habe meine Beine nicht ganz still halten können, aber es war auszuhalten. Jetzt wird es schwieriger:

Ich muss wieder aufstehen. Langsam gehe ich erst auf alle viere und will mich hinstellen, doch da geben meine Beine einfach nach und ich falle wieder auf den Boden.

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Die Swastika ist ursprünglich ein Glückssymbol aus dem Hinduismus. Foto: Ferdinand Liefert

Aber das war nicht die einzige irritierende Situation. Auf dem Eingang eines buddhistischen Tempels ist ein riesiges Hakenkreuz zu sehen. Oder auf dem Weg zu einem Tempel schaut man auf die Karte und findet überall kleine Hakenkreuze. Wir als Deutsche verbinden Hakenkreuze mit dem Nationalsozialismus. Wenn ihr aber genauer hinschaut, dann entdeckt ihr, dass diese Hakenkreuze sich voneinander unterscheiden. Das Hakenkreuz oder besser die Swastika ist in Japan ein buddhistisches Symbol. In ganz Ostasien taucht sie auf: Ursprünglich ein Glückssymbol aus dem Hinduismus, ist sie mit der Ausbreitung des Buddhismus bis nach Japan gewandert. Swastikas findet man auf Tempeln, an Statuen oder Verzierungen von Gebäuden. Ganz normal für Menschen in Japan, doch wir Deutsche zucken beim Anblick eines Hakenkreuzes zusammen.

Doch in Japan gibt es nicht nur den Buddhismus. Die meisten Gläubigen in Japan sind sowohl Buddhisten als auch Shintoisten. Für uns ist das schwer zu begreifen. Sie gehen in einen buddhistischen Tempel, um für ihre Verstorbenen zu beten, und in einen shintoistischen Schrein, um für ihre Kinder, Erfolg oder eine gute Note zu beten. Stellen wir uns den Buddhismus oft ganz still vor, so wie die Teezeremonie, die durch den Zen-Buddhismus geprägt ist, so lebt der Shintoismus auch besonders von seinen großen Festen, den Matsuri. Bei einem Matsuri wird die Gottheit in einer Sänfte durch die Straßen getragen. Das ist dann nicht ruhig und gemessen, sondern diese Sänfte, die wie ein kleines Haus aussieht, wird geschüttelt und gerüttelt, es wird laut geschrien: „Saireya sairyo“ (Habt ein gutes Fest!)

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Feuerfest

Ein ganz besonderes Fest ist das Kurama no Hi- Matsuri. Es findet jedes Jahr am 22. Oktober in einem kleinen Dorf bei Kyoto statt. Da wird auch die Gottheit durch das Dorf getragen, doch diese Gottheit verteilt ihren Segen auf besondere Weise, denn es ist eine Feuergottheit: Die Holzhäuser werden mit brennenden Fackeln gesegnet.

Das geht ganz klein los: Ein einzelner Mann läuft bei Sonnenuntergang durch die Straße mit einer Fackel, ganz still und leise. Später folgt ihm der Omikoshi, die Sänfte für die Gottheit, die zu ihrem Schrein gebracht wird. Alles ist ganz still, bis die Sonne untergegangen ist. Dann geht das Fest los.

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Feuerfest: Kurama no Hi-Matsuni Foto: Ferdinand Liefert

Es beginnt mit den Kindern, die mit Fackeln in ihrer Größe durch die Straßen laufen, dann folgen die Jugendlichen mit etwas größeren Fackeln, dann die Frauen und zum Schluss die Männer. Bei den Männern sind die Fackeln dann bis zu 5 m groß und bis zu 80 kg schwer. Sie werden brennend bis zu den Haustüren getragen und jedes Mal habe ich geglaubt, jetzt fängt das Haus Feuer. Doch bisher ist noch nie was passiert. Doch der Nervenkitzel, das Feuer inmitten all der Holzhäuser, der bleibt.

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