Keiner flüchtet aus Abenteuerlust

Autorenfoto Jost LambrechtJost Lambrecht, 31 arbeitet zurzeit in der Flüchtlingshilfe in Bremen. Diane Tempel-Bornett hat ihn nach seinen Erfahrungen gefragt.

VCP: Wie nennt sich dein Job in der Flüchtlingshilfe?

Jost: Das nennt sich „Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“. Wir sind sozusagen die 2. Stufe nach der Erstaufnahme. Bei uns bleiben die Jungs ein paar Monate, dann kommen sie in eine dauerhafte Unterkunft, in der sie bleiben bis sie 18 Jahre alt sind.

VCP: Wie viele junge Flüchtlinge betreut ihr?

Jost: in drei Hotels betreuen wir mit je fünf Personen jeweils etwa zwanzig Jungs rund um die Uhr.

VCP: Wie sieht die Betreuung aus? Wie muss ich mir das vorstellen

Jost: Wir machen mit ihnen Hausaufgaben, begleiten sie bei Behördengängen, gehen mit ihnen zum Arzt. Alles, wobei man Menschen unterstützt, wenn es sprachliche Verständigungsschwierigkeiten gibt. Ansonsten wird viel gespielt, wir kickern mit ihnen, gehen klettern. In den Ferien haben wir auch Programm angeboten. Wir vermitteln auch Plätze im Sportverein und Praktika. Und alles, was man macht und organisiert ist mit ziemlich viel „Papierkram“ verbunden. Dabei helfen wir natürlich auch.

VCP: Wenn du minderjährig sagst – sind das Kinder und Jugendliche

Jost: Theoretisch zwischen 15 und 18 Jahre. Aber das ist mit den Altersangaben schwierig. Manche machen sich auch jünger als sie sind, viele sehen einfach auch älter aus als sie sind.

VCP: Wo kommen sie her? Und wie verständigt ihr euch?

Jost: Wir haben viele Flüchtlinge aus Westafrika, Guinea und Gambia. Jetzt kommen wieder mehr aus Syrien. Und wir verständigen uns meist auf Englisch, teilweise auch auf Französisch und viel mit Händen und Füßen. Einige der Betreuer können auch Arabisch, Türkisch oder Kurdisch.

VCP: Wie sehen die Perspektiven aus?

Jost: Die Jungs sind sehr dankbar, dass man sich um sie kümmert. Das macht auch Freude, das zu sehen und zu erleben. Bei vielen fehlt aber auch eine Perspektive. Wenn sie keinen Amtsvormund bekommen, der ihnen dann weiterhilft, sind sie frustriert. Dabei müssen diese Amtsvormünder eher entscheiden und unterschreiben. Weiterhelfen, das ist eher so unsere Aufgabe. Die meisten erzählen wenig aus ihrer Heimat oder was sie erlebt haben. Keiner flüchtet aus Abenteuerlust. Deswegen sind es meistens Jungs und junge Männer. Ihnen trauen ihre Familien zu, die gefährliche Flucht zu überstehen. Die Familien hoffen, dass sie es schaffen und der Familie zuhause dann auch helfen – sie entweder nachzuholen oder Geld zu schicken. Die meisten Flüchtlinge hoffen auf Arbeit und wünschen sich, hier bleiben zu können. Etliche der Jugendlichen waren unglücklich, als die Ferien begannen. Sie hatten gerade erst einen Schulplatz bekommen – und dann fingen gleich die Ferien an. Einige lernen wirklich Tag und Nacht Deutsch. Fast alle sind wissbegierig und wollen was erreichen. Das ist ihre Hoffnung.

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