Sehnsucht nach Freiheit beim Pfadfinden: Lukas

Sören Bröcker interviewt Lukas, 19 Jahre

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Sören: Was ist für dich Freiheit?

Lukas: Wenn ich und auch jeder andere seine Ideen ausleben kann – wozu auch das Ausprobieren und scheitern gehört – und ich dabei nicht von einer höheren Autorität eingeschränkt oder gelenkt werde.

Sören: Weshalb bist du bei den Pfadis?

Lukas: Weil meine Eltern Pfadis sind 😉 Weil ich Spaß an der Jugendarbeit habe und mir das Prinzip von learning by doing, der Basisdemokratie und der frühen Einbeziehung mehr zusagt als die Konzepte anderer Jugendverbände. Und natürlich weil ich gerne draußen bin und mich im VCP verwirklichen kann.

Sören: Welche Leitungsaufgaben kannst/konntest du übernehmen?

Lukas: Sippenleitung, Materialwart, Stammesleitung

Sören: Und welche hast du übernommen?

Lukas: ab 14 Jahren JulAss (Leitungsunterstützung), ab 16 Jahren Leitung einer eigenen Sippe
und Materialwart des Stammes; Stammesleitung wollte ich nicht machen, weil ein Freund sich für die Wahl aufstellen ließ und ich schon Materialwart war.

Sören: Wo gab es Spannungsfelder? Wenn ja, warum?

Lukas: Kleinere Spannungen aufgrund verschiedener Auffassungen bestimmter Dinge zwischen Materialwart und Stammesleitung; jedoch nichts Großes oder Gravierendes.

Sören: Wie ist es, wenn ein Erwachsener, ein Pastor oder Elternteil die Leitung übernimmt?

Lukas: Nicht pauschal besser oder schlechter als andere Leitungen; Kompetenz und zwischenmenschliche Fähigkeiten finde ich wichtiger als das Alter. Solche und Solche gibt es in jeder Altersgruppe. Konkret kann ich mir bei uns sicher sein, dass das, was von Seiten der Stammesleitung laufen soll auch sicher läuft.

Sören: Wie groß war die Sehnsucht nach Freiheit für dich?

Lukas: Mich selbst verwirklichen können und etwas zu verändern war mir sehr wichtig. Über Leichen gehen würde ich aber nicht, das große Ganze darf nicht aus den Augen verloren werden.

Sören: Wie würdest du einen Stamm gründen?

Lukas: Erstmal die technischen Möglichkeiten checken und wenn nötig sich drum kümmern (Gruppenraum/Haus, Material, Leiter, Potentielle Zielgruppe vorhanden?), dann basisdemokratisch und mit offenen Karten das Ganze angehen.

Sören: Wo hast du deine Freiheit begrenzt gesehen?

Lukas: Wenn „Unwissende“ mir mit ihren blöden Ideen das Leben schwer machen.

Sören: Wird das Thema „alte Säcke“ thematisiert?

Lukas: Das Problem, dass wir aufgrund eines akuten Mangels an leitungswilligen/leitungsfähigen Jugendlichen auf Erwachsene als StaLei zurückgreifen [müssen] ist uns bewusst und es wird nach Lösungen gesucht.

Sören: Was macht für dich Pfadfinden aus?

Lukas: Spaß, Gemeinschaft, Freundschaft, Platz für all den Schwachsinn, Freiheit, Draußen sein, frei sein, gute Zusammenarbeit Jung und Alt

Sören: Einmal PfadfinderIn immer PfadfinderIn? Wo siehst du dich in 5,10,20 Jahren pfaditechnisch?

Lukas: Immer Pfadi!!
Auf jeden Fall immer für den Stamm da, will ich auch vor Ort wohnen bleiben möchte. Was ich für Funktionen übernehme hängt ganz vom Bedarf des Stammes ab, bin für alles offen. Mit auf die größeren Fahrten und Lager will ich auf jeden Fall auch dann noch.

Sören: Wie alt sollten Stammesleitungen sein?

Lukas: So jung wie möglich, so alt wie nötig; und der Mix machts.
Die Fähigkeiten zählen, nicht das Alter. Auf Zwang Jugendliche zu verpflichten macht wenig Sinn, genauso wie ein Haufen Opas. Am besten ein paar mehr Junge und ein paar Alte, die sich so ergänzen können.

Sören: Siehst du G8 für einen jugendgeleiteten Stamm als Gefahr

Lukas: Jap, da die Jugendlichen, kaum dass sie das Leitungsalter erreicht haben, schon mit der Schule fertig sind und so großteils wieder wegfallen.

Sören: Warum leiten so viele Erwachsene deiner Meinung nach einen Pfadfinderstamm, obwohl Pfadfinden doch eine Jugendbewegung ist?

Lukas: Weil Jugendliche sich u.U. nicht die volle Verantwortung aufhalsen wollen oder es zeitlich nicht schaffen und es auch schlicht bequem ist, da Erwachsene in manchen Dingen schon mehr Erfahrung und/oder Connections haben und es so einfach klären können. Während Jugendliche sich dies erst noch erarbeiten müssen.

Sören: Ab wann ist man erwachsen? ( in Abhängigkeit zu Leitungsaufgaben)

Lukas: Ab Mitte 20 fange für mich gefühlt die „alten Säcke ;)“ an, darunter eher noch näher an den Jugendlichen.

Sören: Welche Vorteile siehst du bei einer erwachsenen älteren Stammesleitung? Also, Elternteil, Pastor/Diakon…

Lukas: Erfahrung in vielen Bereichen, Connections, Vitamin B(eziehung) kann nie schaden, sie werden u.U. ernst(er) genommen als Jugendliche. Teilweise haben sie mehr Zeit bzw. sind flexibler und können sich bei Bedarf auch mal frei nehmen oder Sonderurlaub beantragen. Sie haben Erfahrung, was man machen kann/sollte und was besser nicht.

Sören: Welche Nachteile siehst du in dieser Form?

Lukas: Veraltete/unpassende Vorstellungen als Leitbild des Stammes. Bei Leitern ohne eigene Gruppenleitungserfahrung fehlt die Praxisnähe. Diskrepanz zwischen Erwachsener Leitung und jugendlichen Gruppenleitungen. Sturheit und mangelnde Flexibilität „das haben wir schon immer so gemacht, das wird nicht geändert.“

Sören: Wie viel älter sollte ein Gruppenleiter mindestens sein als seine Sipplinge?

Lukas: 2-3 Jahre, um so eine professionelle Distanz zu ermöglichen.

Sören: Wie wichtig ist dir das Christliche bei den Pfadfindern? (Kirchliche Prägung)

Lukas: Wichtig, aber nicht zentral. C-Impuls und Gottesdienst gerne (und sollte auch ab und zu) aber nicht ständig Tischgebet o.ä.

Sören: Sollte eine Stammesleitung demokratisch und nur für einen bestimmten Zeitraum gewählt werden?

Lukas: Unbedingt!!!!

Wenn du wählen kannst…

Bindung oder Freiheit? Freiheit
Arbeit oder Zeit? Ne gute Balance zwischen beidem
Team oder Einzelarbeit? Team
Jung oder Erfahren? Erfahren
Mann oder Frau? Egal
Pastor oder Elternteil? Ebenfalls egal
Kleine Gruppe oder alle zusammen? Kleine Gruppe
demokratische Prozesse oder feste Leitung? Demokratisch
regional oder weltweit? regional

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