Die Kinder nehmen schnell unsere Rollenbilder an

Foto: Katharina „Katha“ Klipfel
Katharina „Katha“ Klipfel
Katharina „Katha“ Klipfel

Viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder sind ehrenamtlich und hauptberuflich in der Flüchtlingshilfe aktiv. Wir berichten über ihre Aktivitäten, aber vor allem möchten wir sie selbst über das erzählen lassen, was sie erleben. Wir haben Katha Klipfel aus Herbolzheim interviewt. Sie ist Mitglied in der Fachgruppe achtsam&aktiv und studiert Mathematik, Chemie und katholische Religion auf Lehramt.

Seit einiger Zeit arbeitet als Unterstützungslehrerin in zwei Vorbereitungsklassen. Sie berichtet hier über ihre Erfahrungen, die sie mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen macht. Die Fragen stellte Diane Tempel-Bornett

anp: Katha, Kannst du uns beschreiben, was du genau machst?

Katha: Ich weiß ehrlich gesagt gar, nicht wie die richtige Berufsbeschreibung heißt. Ich würde es Unterstützungslehrerin in Vorbereitungsklassen nennen. Darin sind Flüchtlingskinder und Jugendliche zwischen 11 und 16 Jahren, die kein Deutsch sprechen, bzw. die es lernen. Wir haben zwei Klassen, eine Anfängerklasse und eine Fortgeschrittenenklasse. Mit den Fortgeschrittenen kann man sich schon ganz gut auf Deutsch unterhalten. Ich unterrichte beide Klassen jeden Freitag.

anp: Machst du das ehrenamtlich?

Katha: Anfangs habe ich das ehrenamtlich gemacht, jetzt bekomme ich eine Aufwandsentschädigung.

anp: wo kommen die Kinder und Jugendlichen her? Werden Jungen und Mädchen gemischt unterrichtet?

Katha: Es sind zur Hälfte Jungs, zur Hälfte Mädchen – syrische, kurdische, türkische, albanische, mazedonische… Die meisten sprechen arabisch und kurdisch.

anp: Wie kann ich mir den Unterricht vorstellen?

Katha: Meistens fang ich an mit solchen Sachen an wie: „Was hat man im Federmäppchen?“ Dann zeige ich einen Stift, schreibe das Wort „Stift“ an und erkläre, wie man das ausspricht. Das ist für arabisch sprechende Kinder schwer. Sie haben große Probleme mit dem „St“ am Wortanfang und dem „ft“ am Wortende. Auch das „sch“ im Taschenrechner wird da schnell zur Herausforderung. Im Arabischen schreibt man von rechts nach links, deshalb müssen die Kinder hier auch umlernen. Von links nach rechts zu schreiben und Laute auszusprechen, die sie so nicht kennen, ist wirklich extrem schwer. Oft schreiben wir dann auch das arabische Wort daneben. Da versuche ich mich auch ab und an arabisch zu schreiben. Das ist unglaublich schwer. Es folgen die Wochenetage und so geht es weiter, immer Stück für Stück.

anp: und wie verständigst du dich mit ihnen?

Katha: Ich kann in jeder Sprache „Hallo“, also eine Begrüßung sagen. Dann freuen sie sich, in ihrer Muttersprache begrüßt zu werden. So sehen sie, wie schwer es auch mir fällt, ihre Sprache richtig auszusprechen. Und natürlich verständige ich mich mit Händen und Füßen.

anp: Wie bereitest du den Unterricht vor?

Katha: Ich drucke viele Bilder aus und gebe den Kindern Karteikarten. Sie sollen das Wort auf die Karteikarten schreiben und sich ein Bildchen – z.B. vom Stift – dazu malen. Und ich mache den Kindern und Jugendlichen auch verständlich, dass sie die Worte bis zur nächsten Woche lernen sollen, als eine Art Hausaufgabe.

anp: Wie finden die Kinder das? Wie reagieren sie auf Hausaufgaben?

Katha: Die freuen sich. Über das Lernen, über die Ehrenamtlichen, die mit ihnen üben. Die Klassengröße ist 15 und eine Gruppe von 3-4 Kindern – meistens gleichgeschlechtlich – wird von einem Unterstützungslehrer oder einer –lehrerin betreut. Und ich bekomme eigentlich immer nur gute Rückmeldung, dass die Kinder Spaß haben und durch die Ehrenamtlichen einen großen Lernzuwachs haben.

anp: Gibt es da auch manchmal Probleme mit den Rollenbildern?

Katha: Ich hab das noch nicht erlebt. Die Kinder nehmen auch sehr schnell unsere Rollenbilder an.

anp: Nimmst du Unterschiede zwischen den Kindern aus den verschiedenen Ländern wahr?

Katha: Meine Erfahrungen sind sehr ambivalent. Gerade bei den syrischen Kindern ist mir aufgefallen, dass viele gerade am Anfang nie lächeln. Sie wirken sehr traurig. Ich glaube, sie haben viele schlimme Dinge erlebt.

anp Was wünschst du den Kindern und Jugendlichen?

Katha: Oh, viel. Dass sie sich gut integrieren können, aber trotzdem ihre eigene Kultur und Identität behalten und einbringen. Ich wünsche ihnen, dass sie schnell auf Regelschulen gehen können. Ich unterrichte auch Mathematik, da merke ich wie stark viele von ihnen sind. Die können gut auf eine höhere Schule gehen, wenn sie erstmal die Sprache können. Und die arabischen Mädchen – wie schnell die die Sprache aufnehmen und lernen, das ist einfach beeindruckend. Ich sehe sie jede Woche und merke immer wieder, was sie für einen Sprung gemacht haben. Und sie sind wahnsinnig dankbar, dass sie hier sind und lernen können.
Wenn ich überlege, was die Kinder und Jugendlichen aus dem Irak, aus Afghanistan, aus Syrien wohl erlebt haben müssen, da fände ich für viele psychologische Hilfe fast noch wichtiger als Deutsch zu lernen. Ich glaube, wir stehen vor einer großen Herausforderung für das deutsche Schulwesen. Aber sie ist zu wuppen. Und ich glaube auch, dass wir mehr können, als wir uns selber zutrauen. Wir sind besser, als wir glauben.

anp: Danke Katha für das ermutigende Gespräch.

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