„Nochmal! Nochmal!“ Ingelheimer Pfadis spielen regelmäßig mit Flüchtlingskindern in der Zeltstadt

von Lukas Zintel

“Und eins, und zwei, und drei und vier…” Langsam schwingt der große Bogen des Springseils durch die Luft und schlägt in gleichmäßigem Rhythmus auf dem steinigen Boden auf, dann hüpfen Liliana, Zarah und ein anderes Mädchen fröhlich in die Luft und zählen begeistert in der für sie noch so fremden Sprache mit, auch wenn sie gerade erst aus ihren Heimatländern Syrien und Afghanistan im herbstlichen Ingelheim angekommen sind. Drumherum stehen andere kleine Mädchen und gucken zu, klatschen in die Hände oder halten eine Puppe fest, von der wir nicht wissen, ob auch diese die beschwerliche Flucht der Familie miterlebt oder erst hier in der Zeltstadt auf die Kinder gewartet hat.

Blickkontakt und Spaß am Spiel reicht

Ibrahim spielt lieber Ball mit Josefine und Jonas, aber schon bald entsteht eine ganze kleine Mannschaft aus Kindern, jungen Männern und uns Pfadis, denn zum Ball werfen oder kicken braucht man keine Sprachkenntnisse, sondern nur Blickkontakt und Spaß am Spiel…

Sarah, Timon und Lili sitzen im kleinen Spielzimmer der Erstaufnahmeeinrichtung und beginnen langsam, mit den dort hereinkommenden Kindern ein Plakat zu malen – wir legen unsere Hände auf ein Blatt und umfahren alle Finger, dann schreiben wir unsere Namen in unsere Hand und sind uns schon ein wenig vertrauter geworden. Es gibt sehr schüchterne Kinder und sehr mutige Kinder, manche blicken uns lange stumm an, manche kommen gleich fröhlich und neugierig, keines kennt jedoch unsere Sprache, denn fast alle sprechen Arabisch – wobei wir lachend feststellen, dass “Dinosaurier” in beiden Sprachen fast gleich klingt! Wir hoffen, dass es allen hier ankommenden Menschen bald gelingen wird, auch Deutsch lesen und schreiben zu lernen, denn wir könnten uns einander so viel erzählen…

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Ein kleiner, aber wichtiger Beitrag

Was die Flüchtlingskinder allerdings sofort gelernt haben, wenn wir fertig mit einem Spiel in der Zeltstadt fertig sind, ist der flehentliche Ruf: “Nochmal! Nochmal!”, und dann nehmen Timon, Jojo, Lili, Jonas und Sarah gerne nochmal den Ball, das Springseil oder das große bunte Schwungtuch in die Hand und spielen noch eine Runde mit den Mädchen und Jungen, um ihnen ein bisschen die Zeit in diesem für die Kinder so unbekannten Umfeld zu vertreiben.
Dankbar strahlen dann die Gesichter: Uns ist schnell klar, dass wir mit unserem bescheidenen Beitrag neben all den offiziellen Helfern in der aktuellen Flüchtlingssituation durch unseren wöchentlichen Besuch in der Ingelheimer Zeltstadt ein paar Kindern für einen kurzen Augenblick die Unbeschwertheit zurückbringen können, die doch typisch für Kindheit sein sollte.

Wir Pfadfinderinnen und Pfadfinder haben jede Woche in unserem Stamm Ottheinrich von der Pfalz Spaß in unseren Gruppenstunden, wo wir unbeschwert und sicher spielen und uns ausprobieren können. Hier in der Zeltstadt ist alles natürlich nur ein gut organisiertes Provisorium, aber gerade hier können wir als Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder tatsächlich nützlich sein und den Kindern dort zeigen, dass wir auch gemeinsam spielen können trotz der unterschiedlichen Kulturen, in denen wir groß geworden sind.

Die Welt ein bisschen schöner machen, als sie derzeit für viele Menschen ist

Schnell wachsen sie einem ans Herz, die aufgeweckten und die schüchternen Mädchen und Jungen, die, die einem irgendwann die kleine Hand geben und bis zum Ausgang nicht mehr loslassen und diejenigen, die uns nach unserer Spielzeit noch lachend hinterherwinken und dann wieder davonrennen zu ihren Eltern, die irgendwo in den großen Zelten warten, wie es weitergeht mit ihnen und ihren Hoffnungen auf ein Leben in Frieden und Freiheit.

Wenn wir nächste Woche wiederkommen, dann schauen wir wieder aus nach Zarahs dunklem Lockenkopf und Ibrahims fröhlichem staubigen Gesicht, aber vielleicht sind sie mit ihrem Eltern auch schon weitergezogen in eine feste Unterkunft, raus aus der Zeltstadt, die bald geschlossen werden wird, wenn der Winter kommt, wieder eine Station weiter auf ihrer langen Reise in ein neues Leben? Wir wünschen ihnen allen, dass ihre Träume nicht zerplatzen wie unsere Seifenblasen, sondern dass es uns gemeinsam gelingen wird, die Welt ein bisschen schöner zu gestalten, als sie derzeit für viele Menschen ist!

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