Schon gewusst? Nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz sollen die Veranstalter von Ferienlagern über die Bedeutung eines ausreichenden Impfschutzes aufklären (IfSG §34, 10). Das bezieht sich auf alle altersentsprechende Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (StiKo).
Besonders wichtig sind auf Fahrt und Lager der Impfschutz gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) und – in entsprechenden Risikogebieten – gegen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis, „Frühsommer-Hirnhaut-und-Hirnentzündung“ – siehe https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/F/FSME/Karte_Tab.html).
Wundstarrkrampf-Bakterien kommen überall als „Sporen“ in der Erde, im Kot (besonders im Pferdemist) und bei Bissverletzungen vor. Sporen sind ein Ruhezustand von Bakterien ähnlich Pflanzensamen, gegen den viele Desinfektionsmittel wirkungslos sind. Sie gelangen durch verschmutzte Wunden oder einen Holzsplitter unter die Haut, auch Bagatellverletzungen reichen aus.
Tetanus ist eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit. Dank der hohen Impfquote versterben in Deutschland „nur noch“ ein oder zwei, weltweit jedoch 34.000 Menschen jedes Jahr daran.
Habe daher auf Fahrt und Lager eine Kopie deines Impfpasses dabei oder ein Foto davon auf dem Handy. Am besten machst du zusätzlich eine Notiz in der Kontaktliste deines Mobiltelefons (Name „Tetanus“), wann die letzte Impfung war.
Wieso sollte im Gesundheitsbogen vor Fahrt und Lager nach Zahl und Zeitpunkt der Tetanusimpfungen gefragt werden?
- Draußen sind verschmutzte Wunden mit tatsächlichem Infektionsrisiko normal. Gängige Wunddesinfektionsmittel sind gegen Sporen wie Tetanus wirkungslos. Bei verschmutzen Wunden wird in Deutschland eine Auffrischung nach fünf Jahren empfohlen, sonst erst nach zehn. Außerdem werden bei unklaren oder fehlenden Impfungen zusätzlich Antikörper zur überbrückenden Immunisierung gespritzt.
- Die bislang nicht erfolgte Grundimmunisierung bei einer eigentlich harmlosen Verletzung nachzuholen ist abseits von Städten ein erheblicher Aufwand, verbunden mit der stundenlangen Abwesenheit eines Betreuers*Betreuerin und zu Lasten der anderen Teilnehmer*innen.
Weniger als 5 % aller Erstklässler in Deutschland haben keine oder eine unvollständige Grundimmunisierung, also weniger als drei Impfungen. Was tun, wenn dies bei Anmeldung einer Fahrt auffällt? Wie lässt sich bei unterschiedlichen Meinungen vermitteln?
- Suche umgehend ein vertrauliches Gespräch mit den Eltern an einem geeigneten Ort. Spreche dich vorher im Stamm ab, habe ggf. eine weitere Leitungsperson dabei.
- Höre dir gelassen die Argumente der Eltern an. Die Kritik am Impfen reicht von schlichter Spritzenphobie, über ein „zu frühes“ und „zu viel“ Impfen in den ersten Lebensmonaten, Zweifeln an der Effektivität oder an der Unabhängigkeit der Ärzte, Bedenken um davon ausgelöste Allergien, der Feststellung, dass hierzulande Tetanus eine Erkrankung von Älteren ist, Sorge vor Aluminium in den Impfstoffen bis hin zu verheimlichten Todesfällen oder der Ansicht, hier würde Gift verspritzt.
- Zeige, dass dir der Konflikt zwischen deiner Hilfeleistungspflicht, der medizinisch-juristischen Sachlage und deiner Loyalität gegenüber den Eltern unangenehm ist. Vermeide einen Schlagabtausch und bedränge sie nicht. Das wird sie nicht überzeugen. Die Aufklärung ist Aufgabe des behandelnden (Kinder-) Arztes*Ärztin. Bitte sie deshalb höflich, ihre Haltung zu überdenken und nochmals mit einem Arzt*Ärztin des Vertrauens zu sprechen.
- Erkläre ihnen die einfache Lebensweise unterwegs mit häufigen verschmutzen Wunden. Bitte um Verständnis, dass eine Zusage der Eltern, im Falle einer Verletzung das Kind und die „Verantwortung“ abzuholen, auf Hajks und Zeltlagern oft nicht umsetzbar ist: Entfernung, kein Mobilempfang, Suchen eines Lagers bei Nacht, etc..
Wenn für die Eltern der Eindruck entsteht, sich rechtfertigen zu müssen, werden sie verständlicherweise gereizt reagieren. Das soll nicht sein, denn letztlich ist und bleibt es die alleinige, private und zu respektierende Entscheidung der Eltern. Außerdem besteht in Deutschland keine Impfpflicht.
Nur: Ebenso haben die Veranstalter die Freiheit, Tetanusimmunisierung zur Teilnahmebedingung zu erklären, d. h. mindestens drei Impfungen plus ggf. fällige Auffrischungen. Sicherlich macht’s einen Unterschied, ob die Meute das erste Mal im Gemeindehaus um die Ecke übernachtet oder irgendwo im Dschungel des Pfälzer Waldes zeltet. Prinzipienreiter*innen sind wir keine, doch je umständlicher professionelle medizinische Hilfe unterwegs verfügbar ist und/oder je weniger Betreuer*innen die Fahrt begleiten – die dann stundenlang wegen „Arztausflügen“ fehlen, desto sinnvoller ist eine solche Teilnahmevoraussetzung. Am besten findet ihr zuerst einen Konsens in der Leitungsrunde, der am Ende für alle im Stamm gilt: So schade das ist, wenn am Ende eine einzelne Person nicht mitfährt und dessen Eltern das nicht akzeptieren wollen – unterwegs habt ihr die Verantwortung.
Gut Pfad,
Uli & Römi
Dr. Uli Eiden, VCP Stamm Johannes Gutenberg Mainz, GAB, RP/S
Michael Römer, VCP Stamm Franz von Sickingen Hambach, Neustadt, GNB, RP/S.