100 Jahre Neudietendorfer Grundsätze

Ein Gottesdienstworkshop auf der Bundesversammlung des VCP 2021

2021 ist für den VCP ein besonderes Jahr. Nicht nur gibt es die Verbandszeitschrift „Auf neuem Pfad“ seit 100 Jahren, auch die Gründung einer der Vorgängerbünde des VCP, der Christlichen Pfadfinderschaft, und vor allem deren inhaltliches Grundlagenprogramm, die „Neudietendorfer Grundsätze“, liegen jetzt 100 Jahre zurück.

Über die Geschichte von Neudietendorf, der CP und den Neudietendorfer Grundätzen ist in der Jubiläums anp und in Kreuz und Lilie ausführlich zu lesen. Ich möchte in diesem Artikel der Frage nachgehen, was die alten Texte heute noch für den VCP und seine Mitglieder bedeuten.

Der VCP hat seine letzte große Programmdebatte mit „Aufgabe und Ziel“ beschlossen und seit dem gab es keine größere Auseinandersetzung mit dem Kern seiner selbst. Auf die Frage, was es heißt, Pfadfinder*in im VCP zu sein, können mannigfaltige Antworten zusammenkommen. Die meisten davon finden sich in den Kernaussagen von „Aufgabe und Ziel“ wieder.

1921 stellt sich die junge CP eine ähnliche Frage und verfasst am Ende 15 Grundsätze, die das Leitbild, das Ideal aber auch den eigenen Anspruch an Pfadfinder*in im Verband zu sein, definieren.

Wie stehen Pfadfinder*innen im VCP heute zu diesen Grundsätzen? Welche Gefühle werden ausgelöst, wenn die alte Sprache und Gedankenwelt neu ausgelesen wird.

Auf dem Gottesdienst der Bundesversammlung 2021 haben die Delegierten sich mit den Grundsätzen beschäftigt. Als Workshop im Gottesdienst haben sie die Thesen gelesen und sollten ihre Gedanken dazu aufschreiben. Herausgekommen ist ein Schlaglicht auf die Grundsätze aus dem Blick von knapp 100 jungen Pfadfinder*innen aus dem Jahr 2021.

Die Thesen sind dabei natürlich nicht ohne Kontext lesbar. 100 Jahre sind allein schon in der Sprache erkennbar. Hier wird von Volk, Treue und Brüderlichkeit gesprochen. Die Sätze wirken oft sehr schroff. Aber hinter der Fassade verbirgt sich oft ein Gedanke, der in seiner Intention auch für das Jahr 2021 noch Bedeutung hat.

Ich will beispielhaft einige Thesen genauer betrachten und im Anhang das Ergebnis des Workshops mit allen Thesen anfügen.

8. Wir wollen lernen, auch Andersdenkende zu verstehen und Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit in uns und um uns bekämpfen.

Kaum zu glauben, dass 1921 dieser Grundsatz verabschiedet wurde. Für mich kann ich hier schon eines der großen Themen des VCP erkennen: Wir nehmen alle mit im VCP! Achtsamer Umgang mit Andersdenkenden und das Ernstnehmen von Inklusion sind nur zwei Aspekte, die heute auch mit dem Grundsatz von 1921 beschrieben werden können.

 

 

9. Wir wollen lernen, über alle Unterschiede des Lebens hinweg den wahren Wert des Menschen zu erkennen und uns von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Vorurteilen freimachen.

Pfadfinden ist politisch, auch schon 1921. Gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Themen betreffen die Menschen und der Verband ist Teil dieser Realität. Auch der VCP muss sich immer wieder von diesen Vorurteilen freimachen und um den wahren Wert des Menschen ringen. Das zeigt sich z.b. in der immer wiederkehrenden Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Rechtsextremismus, Geschlechtergerechter Sprache oder Klimawandel

 

 

 

 

11. Wir wollen die Liebe zu Heimat und Volkstum pflegen, von allem volksverhetzenden Treiben uns fernhalten und danach trachten, treue, tatbereite Bürger unseres Landes zu werden.

Liebe zu Heimat und Volkstum klingen erstmal sehr fremd. Zu was diese Begriffe werden können hat uns die Zeit von 1933 bis 1945 gezeigt. Betrachte ich die Begriffe aber unvoreingenommen und versuche, die Idee dahinter zu sehen, bekomme ich eine mögliche Erklärung… Heimat und Volkstum ist dann vielleicht das Zuhause, dass man gewählt hat? Der Stamm, die Stadt, vielleicht auch der Staat, mit all seinen kleinen Verbesserbarkeiten? Baden-Powell und der „mündige Staatsbürger“ mag hier auch durchklingen.
Der zweite Teil liest sich heute leichter als 1921. Von Volksverhetzung fernhalten zu „auf die Plätze gegen Hetze“ kann ich eine Brücke schlagen. Treue und tatbereite Bürger, oder in der Sprache von auf Aufgabe und Ziel, mündige Bürger*innen, zu werden muss zur Entstehungszeit, nur 3 Jahre nach dem 1. Weltkrieg im neuen, und noch überhaupt nicht gefestigten Weimarer Republik Deutschland, eine nicht zu unterschätzende Aussage gewesen sein.

 

So sind alle 15 Grundsätze Kinder ihrer Zeit, aber haben oft einen Gedankenkern, der bei genauer Betrachtung auch heute noch bedenkenswert sein kann. Die subjektiv von mir gewählten drei Grundsätze sind vielleicht beispielhaft dafür, dass jede*r von uns die Grundsätze anders liest und auch andere Gedanken dazu entwickelt. In diesem Geist sind die Kommentare zu den Grundsätzen zu lesen, die die VCP Bundesversammlung 2021 zusammengetragen hat.

Gut Pfad,

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