1. Adventsbrief: Nächstenliebe

von Johanna Mixsa

Inhalt:

Impuls zum Thema Nächstenliebe

„Bald schon ist Weihnachten“ dachte Lasse bei sich und schaute sich in seinem kleinen Studierendenzimmer um. Hier war Weihnachten noch nicht angekommen. Überall lagen Sachen verstreut und hier und da war eine leere Glasfalsche zu finden. Es sah eher so aus, als stände eine Apokalypse bevor. Aber er hatte jetzt keine Zeit zum Aufräumen. Er schrieb noch den letzten Satz der Hausarbeit, noch einmal Korrektur lesen und aufräumen würde er morgen.

Dann fing er an zu arbeiten.
Es dauerte keine 10 Minuten, da klingelte zum ersten Mal das Telefon. Eine verunsicherte Stimme meldete sich: „Bin ich hier richtig bei der Telefonseelsorge?“. Lasse bejahte. „Meine Eltern…“ fing das junge Mädchen an und schüttete ihr Herz über das Telefon aus. Das Gespräch dauerte lange und Lasse versuchte dem Kind so gut wie möglich zu helfen. Nach dem Telefonat dachte er: „Ja, bald schon ist Weihnachten. Die Zeit der Liebe, in der so viel Streit und Konflikte entstehen.“ Er war eigentlich schon total erschöpft, doch hörte sich noch einige Stunden lang die Sorgen anderer Menschen an und probierte zu helfen. Auch wenn es am nächsten Tag wieder früh rausgehen würde.

Das was Lasse da macht, die Telefonseelsorge, ist ein Akt der Barmherzigkeit, der Nächstenliebe. Ein sicherlich bekannter Begriff, schließlich gilt die Nächstenliebe als eine der größten christlichen Tugenden. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ so steht es im 3. Buch Moses geschrieben. Aber was bedeutet dieses gigantische Wort überhaupt?

Wenn man googelt erhält man folgende Definition:

„Nächstenliebe Substantiv, feminin [die], innere Einstellung, aus der heraus jemand bereit ist, seinen Mitmenschen zu helfen, Opfer für sie zu bringen“.

Man opfert sich also für seine Mitmenschen auf, versucht ihnen in ihrer Notsituation, welche auch immer es sein mag, zu helfen. Man stellt seine eigenen Bedürfnisse hinten an. Das wirkt realitätsfern.
Etwas aus Nächstenliebe zu tun heißt nicht, dass etwas Großes getan wird, wie die Telefonseelsorge, Bahnhofsmission oder ähnliches. Es sind auch die kleinen Dinge, wie der älteren Dame die Tür aufhalten, auch wenn man es selbst eilig hat. Nächstenliebe kann also jede*r zeigen. In der Weihnachtszeit ist das für mich umso wichtiger. Denn eigentlich ist die Weihnachtszeit ja die Zeit der Liebe, und damit auch der Nächstenliebe.

Nur kommt das leider oft zu kurz. Weil noch die ganzen Geschenke für Freund*innen und Familie gekauft werden müssen. Weil alle von einer Weihnachtsfeier zur nächsten rennen. Weil noch dies und das besorgt, Plätzchen gebacken und den Weihnachtsbaum ausgesucht werden muss. In dem Stress ist es wichtig, sich nicht selbst zu verlieren. Aber wenn eine*r sich bewusst dafür entscheidet ihren*seinen Nächsten zu helfen, dann wird jede*r jeden Tag etwas finden, was man tun kann.

Bei uns Pfadfinder*innen gehört das ja eigentlich dazu: „jeden Tag eine gute Tat“. Denn die gute Tat ist am Ende nichts anderes als das, was wir aus Nächstenliebe machen. Diese gute Tat muss dabei nichts unfassbar Großes sein. Auch kleine Dinge können viel verändern oder bedeuten, besonders für einzelne Individuen.

Dazu gibt es eine sehr schöne Geschichte von William Ashburn:

Ein alter Mann geht bei Sonnenuntergang den Strand entlang. Er beobachtet vor sich einen jungen Mann, der Seesterne aufhebt und ins Meer wirft. Er holt ihn schließlich ein und fragt ihn, warum er das denn tue. Der junge Mann antwortet, dass die gestrandeten Seesterne sterben, wenn sie bis Sonnenaufgang hier liegen bleiben. „Aber der Strand ist kilometerlang und tausende Seesterne liegen hier. Was macht es also für einen Unterschied, wenn Du Dich abmühst?“, sagt der alte Mann. Der junge Mann blickt auf den Seestern in seiner Hand und wirft ihn in die rettenden Wellen. Er schaut den alten Mann an und sagt: „Für diesen hier macht es einen Unterschied.“
Es macht einen Unterschied, ob wir uns bemühen oder nicht. Und mit jeder guten Tat verbessert man irgendwie auch ein Stück die Welt. Weil mehr Nächstenliebe, Herzlichkeit und Freundlichkeit in unsere Welt getragen wird.

Und das können wir jeden Tag. Wenn du heute bewusst eine gute Tat machen willst, dann such dir einen kleinen Stein (oder ähnliches) und steck ihn dir in die Hosentasche. Wenn du dann deine gute Tat gemacht hast, dann kannst du ihn wieder raus legen. Am Abend weißt du dann, ob du die Welt heute ein Stück verbessert oder deine Chance vertan hast. Denn genug Möglichkeiten gibt es jeden Tag. Gerade in der Weihnachtszeit als Zeit der Liebe, sollten wir uns der Nächstenliebe wieder bewusster werden.

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