Aufarbeitung im VCP – Wo stehen wir?

Foto: VCP

Habt ihr schon von unserem geplanten Aufarbeitungsprozess gehört und wisst ihr, was Aufarbeitung bedeutet?

Die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit ist neben Prävention, Intervention und Hilfen ein zentraler Aspekt im Kampf gegen Missbrauch. Im Gegensatz zu einem Strafverfahren geht es nicht darum, Täter*innen zu überführen und zu verurteilen, denn die Fälle sind oft schon verjährt. Umso wichtiger ist es aber für Betroffene, dass ihr Leid dennoch gesehen und anerkannt wird. Dadurch kann die Institution lernen, welche strukturellen Mechanismen Missbrauch in der Vergangenheit ermöglicht haben oder auch, warum Missbrauch über so eine lange Zeit unentdeckt bleiben konnte sowie welche Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen werden müssen.

Bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt geht es somit darum, Wissen über vergangene Geschehnisse zu schaffen. Dies ist mit verschiedenen Zielen verbunden:

  • Betroffene werden gehört und Taten werden aufgedeckt
  • Erlittenes Unrecht und die Folgen für die Betroffenen werden benannt
  • Unrecht wird anerkannt und es werden Formate des Erinnerns entwickelt
  • Strukturen, die die Tat begünstigen und Taten verschleiern, werden benannt
  • Aus dem Wissen werden Konsequenzen gezogen
  • Aufarbeitungsfälle und deren Bearbeitung werden dokumentiert

Aufarbeitung bedeutet, Konsequenzen für die Gegenwart ziehen und Erkenntnisse und Wissen für die Zukunft bewahren.

Hintergrund des Aufarbeitungsprozesses ist, dass es dem VCP in seiner Vergangenheit nicht immer gelungen ist, seine Mitglieder vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Dieser Verantwortung wollen wir uns stellen. In den vergangenen vier Jahren wurden vermehrt sogenannte „Altfälle“ bekannt. Zum einen durch Anträge an das „Erweiterte Hilfesystem“(EHS), in welchem der VCP über den Ring deutscher Pfadfinder*innenverbände (rdp) Partner ist sowie durch direkte Kontaktaufnahme von Betroffenen. Mit dem Aufarbeitungsprozess der EKD erfuhr und erfährt das Thema institutionelle Aufarbeitung innerhalb evangelischer Einrichtungen mediale Aufmerksamkeit und auch der VCP als evangelischer Jugendverband gerät somit in den Fokus der Öffentlichkeit. Darum haben Bundesleitung und Bundesrat im Sommer 2019 die Initiierung eines Aufarbeitungsprozesses „Sexualisierter Gewalt“ beschlossen.

Ziele des Aufarbeitungsprozesses im VCP

Wir möchten damit die Kultur des Schweigens mit Blick auf sexualisierte Gewalt in der Vergangenheit brechen und eine kritische Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt im Verband fördern. Bei Aufarbeitung geht es um mehr als nur die Prävention zukünftiger Fälle. Sie führt günstigenfalls zu einer umfassenden Transformation einer Institution und deren Geschichte. Zentral sind dafür die Interessen von Betroffenen von sexualisierter Gewalt innerhalb dieser Einrichtung. Diese Interessen, die etwa das Gehört-Werden, das Entschädigt-Werden, Konsequenzen für Täter*innen und Kompliz*innen und die Mitwirkung am Aufarbeitungsprozess umfassen, sollen anerkannt werden.

Der VCP wird in seinem Aufarbeitungsprozess begleitet vom Beirat zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im VCP

Was ist der Beirat?

  • Der Aufarbeitungsprozess wird durch den Beirat als beratendes Gremium begleitet und passt den Prozess an ggf. neue Herausforderungen und Ereignisse an.
  • Der Beirat hat den Status einer Fachgruppe, wird von der Bundesleitung eingesetzt und trifft sich alle 6-8 Wochen.
  • Er ist Ansprechpartner des Betroffenennetzwerkes sowie des Aufarbeitungsteams und sorgt dafür, dass die Interessen der Betroffenen ausreichend Berücksichtigung finden. Dabei hat er die (finanziellen) Möglichkeiten und Grenzen des Verbandes Blick.

Wie wird die Aufarbeitung im VCP ablaufen?

Die Aufarbeitung im VCP wird mit wissenschaftlicher Begleitung erfolgen. Gleichzeitig wird durch eine fakultative externe Anlaufstelle Strukturen für einen guten und professionellen Umgang mit Betroffenen geschaffen. Dadurch wird gewährleistet, dass Betroffene eine Stimme und eine Chance zur persönlichen Aufarbeitung erhalten und der Verband gleichzeitig aus den Fehlern der Vergangenheit lernen kann.

Es wurden verschiedene externe Institute angefragt, ob sie sich eine Unterstützung im Aufarbeitungsprozess des VCP vorstellen können. In diesem Prozess haben sich zwei verschiedene Angebotsgeber herauskristallisiert. Als externe Anlaufstelle mit dem Ziel der psychosozialen Unterstützung für Betroffene soll Nothilfe Brigitte Wolf. e.V. – Fachstelle für Täter-Opfer-Ausgleich mit langjähriger Erfahrung in Aufarbeitungs- und Anerkennungsarbeit – eingesetzt werden. Durch eine externe Anlaufstelle können die Wünsche und Erwartungen und Bedürfnissen von Betroffenen erfragt werden, Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden und neutral über den Stand des Aufarbeitungsprozesses informiert werden.

Für die wissenschaftliche Aufarbeitung, das sogenannte Aufarbeitungsteam, empfiehlt der Beirat ein Kooperationsangebot von zwei im Themenfeld erfahrenen Instituten: Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V – und dem Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP). Beide Institute kooperieren seit längerem in verschiedenen Aufarbeitungsstudien und führen gemeinsam beispielsweise aktuell eine Aufarbeitungsstudie für den Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) durch. Bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung werden Fälle sexualisierter Gewalt dokumentiert, analysiert und anschließend das gewonnene Wissen aufbereitet. Als methodische Herangehensweisen wird die multi-perspektivische Rekonstruktion historischer Sachverhalte genutzt, welche sich bereits in Projekten zur Aufarbeitung bewiesen hat. Multiperspektivische Zugänge sind in der Lage, Entstehungs- und Verdeckungszusammenhänge im Kontext institutioneller Gewalt offen zu legen und Erklärungen dafür zu liefern, weshalb insbesondere Fälle sexualisierter Gewalt über lange Zeit nicht aufgedeckt wurden. Hierfür werden problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews mit derzeitigen und ehemaligen Schlüsselpersonen im VCP, Mitgliedern sowie Betroffenen geführt. Damit der Aufarbeitungsprozess ein unabhängiger und weitestgehend externer Prozess ist, übernehmen Dissens sowie der IPP die Führung und Leitung des Aufarbeitungsprozesses.

Durch eine Zusammenführung der beiden Angebote wird der Aufarbeitungsprozess im VCP möglichst ganzheitlich gestaltet. Der Beirat zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt hat einstimmig eine Empfehlung für eine externe Anlaufstelle sowie ein externes Aufarbeitungsteam gegeben.

Der erste Schritt in Richtung Aufarbeitung wurde auf dem letzten Bundesrat getätigt, indem der Antrag zur Aufarbeitung bestätigt wurde. Auf der Bundesversammlung wurde der Antrag abschließend zur Abstimmung gestellt, sodass wir voraussichtlich wie geplant im Herbst 2023 mit dem externen Aufarbeitungsprozess im VCP beginnen können. Die Auswertung aller erhobenen Daten, Aufbereitung und Veröffentlichung der Ergebnisse des Aufarbeitungsberichts erfolgt in Form eines Buches.

Prävention

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