von Carla Singer
Der 22.07.2018 war ein denkwürdiger und beeindruckender Tag – zumindest, wenn man wie ich Bayerin ist. An diesem Tag fand in München die #ausgehetzt-Demo statt, an der ich als VCPerin – erkennbar durch Tracht und Fahne – teilgenommen habe.
Mehr als 25.000 Menschen folgten trotz strömenden Regens dem Aufruf von ca. 130 Organisationen, Parteien und Vereinen gegen Hassrede und Populismus auf die Straße zu gehen. Dabei ging es nicht in erster Linie gegen die CSU, sondern gegen rechtspopulistische Hetze in der Politik. Das auch CSU-Politiker*innen für hetzerische Sprache verantwortlich sind, indem sie Phrasen wie „Asyltourismus“ und „Anti-Abschiebe-Industrie“ benutzt haben, finden auch CSU-Mitglieder befremdlich und beängstigend.
Mein Kumpel Martin aus der DPSG und ich haben beschlossen, als Pfadfinder*innen an der Demonstration teilzunehmen, da es uns wichtig war zu zeigen, dass viele unterschiedliche zivilgesellschaftliche Organisationen die rechtspopulistische Hetze ablehnen. Nach unserem christlichen und humanistischen Weltbild – das nicht zuletzt durch unser Leben in VCP und DPSG geprägt wurde – ist es für uns klar, dass es Dinge gibt, die niemand, erst recht kein Politiker, in Frage stellen darf:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. […]“ (Art. 1 GG)
Menschen, die hunderte Kilometer durch die Wüste laufen, sich in lybischen Lagern versklaven und vergewaltigen lassen, in winzigen Schlauchbooten übers Mittelmeer paddeln, in Güterwaggons bei der Alpenüberquerung halb erfrieren und in überfüllten Gemeinschaftsunterkünften leben haben offensichtlich einen guten Grund, dies alles auf sich zu nehmen. In diesem Zusammenhang von „Asyltourismus“ zu sprechen ist eine perfide Strategie, die individuelle Not abzuwerten und ins Lächerliche zu ziehen.
Und was die „Anti-Abschiebe-Industrie“ betrifft: Ja, viele Menschen haben von der gewaltigen Migrationsbewegung der letzten Jahre profitiert. Direkt, weil in der kritischen Zeit 2015/2016 teils völlig überzogene Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge bezahlt wurden und sich private Firmen eine goldene Nase verdient haben. Indirekt, weil bundesweit tausende neuer Stellen in den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen geschaffen wurden: Im Sozialen für die Betreuung und Integration, im Handwerk und Baugewerbe für den Bau neuer Unterkünfte, im Einzelhandel und Kleingewerbe vor Ort; und natürlich haben auch viele Anwälte einen gewaltigen Zulauf erfahren. Es ist aber perfide und falsch, dies als „Anti-Abschiebe-Industrie“ darzustellen, denn am unbezahlten Engagement gegen Abschiebungen und für die Integration geflüchteter Menschen verdient kaum jemand Geld.
Ich habe als Sozialarbeiterin bereits mit deutschen Jugendlichen, minderjährigen Flüchtlingen, Wohnungslosen aller Herkunft und jetzt mit Senior*innen gearbeitet. In allen Gruppen gab es Menschen, die sind mir besonders negativ in Erinnerung geblieben. Weil sie sich nicht an Regeln halten oder das System so gut wie möglich für sich selbst nutzen wollen. Aber es war immer nur eine kleine Minderheit. Es ist unser aller Pflicht dafür zu sorgen, dass Deutschland ein Land bleibt, in dem wir alle gerne leben.
Was dabei nicht hilft: benachteiligte Gruppen gegeneinander ausspielen; hetzerische, pauschalisierte Aussagen; Menschen ausgrenzen, die nichts mehr zu verlieren haben;
Was dabei sehr wohl hilft: wahrnehmen, wenn Menschen benachteiligt und ausgegrenzt werden und Unterstützung anbieten; Miteinander statt Gegeneinander vorleben; und nicht zuletzt: Flagge zeigen, gegen diejenigen, die aus Angst vor den Rechtspopulisten die Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen.