Für eine bessere Welt – Pfadfinder*innen und der Krieg in der Ukraine

Foto: VCP/Mona Tarrey

Pfadfinder*innen – sind das nicht diese komischen Menschen mit Hemd und Halstuch, die den alten Leuten über die Straße helfen und Kekse verkaufen?! Nicht ganz, vielleicht scheint es manchmal wie ein seltsamer Haufen. Aber vor allem ist Pfadfinden eine weltweite Jugendbewegung, die für Frieden, Gerechtigkeit und eine freie Entfaltung von Kindern und Jugendlichen einsteht. Sowohl der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) e.V. als auch der ukrainische Pfadfinder*innenverband (Plast) ist Teil eben dieser Bewegung.  Dadurch ist für Projekte, aber auch in Krisensituationen schnell eine länderübergreifende Zusammenarbeit möglich ist.

Pfadfinden als Friedensbewegung

Beim Pfadfinden steht besonders eine Verantwortung für Andere und die Gesellschaft sowie für sich selbst im Vordergrund. All das und auch die Beziehung zu Gott findet sich dabei in dem Pfadfinder*innenversprechen wieder. Dieses geben oder erneuern die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen immer dann, wenn sie ihr Halstuch verliehen bekommen. Das Halstuch ist das weltweite Erkennungszeichen und sieht je nach Land und Verband anders aus.

Der Begründer der Pfadfinder*innenbewegung, der britische Offizier Robert Baden-Powell, hat der Bewegung viele Gedanken und Ziele mitgegeben, so auch folgendes:

„Versucht, diese Welt ein wenig besser zu verlassen, als ihr sie vorgefunden habt.“

Das gilt auch in solch unvorstellbaren Situationen, wie wir sie gerade haben. Krieg in Europa. Natürlich können die Pfadfinder*innen nicht von heute auf morgen den Krieg beenden. Aber sie können den unschuldigen Menschen helfen, die von ihm betroffen sind. Sei es mit Spenden, mit Öffnen der Gruppenstunden und Sommerlager für Flüchtende oder Helfen vor Ort. Dazu gehört , mit den Kindern und Jugendlichen über Krieg zu sprechen und sich für Frieden einzusetzen. Die Pfadfinderbewegung versteht sich als größte Friedensbewegung der Welt. Um wirklich friedlich miteinander leben zu können, braucht es ein Verständnis füreinander, braucht es Begegnungen, braucht es internationale Freundschaften. Das ist, was Pfadfinden ausmacht.

Ein*e Pfadfinder*in hilft, wo er*sie kann

Auch das ist einer der Grundsätze, der Pfadfinder*innen immer begleitet. Als im Februar plötzlich Krieg war, waren die Gedanken eigentlich ganz woanders: bei dem für den Sommer geplanten Bundeslager zum Thema „Neustadt – Du hast die Wahl!“. Hierbei haben sich 4.600 Pfadfinder*innen des VCPs aus ganz Deutschland getroffen und zusammen 10 Tage Sonne, Sommer und Abenteuer erlebt. Schnell war in den Vorbereitungen klar, dass es ukrainischen Pfadfinder*innengruppen ermöglicht werden soll, an diesem wunderbaren Erlebnis teilzunehmen. Und so konnte es Kindern und Jugendlichen, die alles hinter sich lassen mussten, um aus ihrer Heimat zu fliehen, ermöglicht werden, kennenzulernen, wie Pfadfinden bei uns aussieht. Sie verbrachten eine Woche in Familien ihrer Partnergruppen – und zehn Tage gemeinsam auf dem Bundeslager. Eine emotionale Zeit für Gäste und Gastgeber – hin- und hergerissen zwischen Ausgelassenheit und normalem Sommerlager mit Freund*innen und den Gedanken an den Krieg. Aber ganz sicher eine Zeit, die zusammengeschweißt und den Horizont erweitert hat.

Mit Spenden vor Ort helfen

Vor allem zu Beginn des Krieges haben mehrere Gruppen vor Ort Sachspenden gesammelt und dann an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht. Dabei sind viel mehr Spenden zusammengekommen, als zunächst angenommen und die Autos mussten gut gepackt werden, damit auch wirklich alles mitgenommen werden konnte. Auf dem Rückweg konnten einige Flüchtende mitfahren und so schneller nach Deutschland kommen.

Für die Menschen, die keine eigene Aktion auf die Beine stellen oder Sachspenden geben konnten, gab und gibt es außerdem mehrere Aufnäher-Aktionen. Bei den Pfadfinder*innen gibt es für alle Lager, Fahrten und sonstige Abenteuer einen bunten Aufnäher, der dann wahlweise auf die Kluft, die Fahrtdecke oder etwas ganz anderes aufgenäht werden kann. So zum Beispiel mit den Aufnähern „Gegen Krieg“, als Zeichen der Solidarität mit dem Ukrainischen Pfadfinderverband.  Der komplette Erlös ging an die Ukrainehilfe. Und auch über die beiden Weltverbände „WOSM“ – World Organisation of the Scout Movement und „WAGGGS“ – World Association of Girl Guides and Girl Scouts wurden Spenden gesammelt, die dem Ukrainischen Pfadfinder*innenverband „Plast“ zugutegekommen sind und Hilfsaktion vor Ort unterstützt haben.

Mit anpacken – Flüchtlingshilfe in Polen

Der Ring deutscher Pfadfinder*innenverbände, welcher ein Zusammenschluss der fünf größten Pfadfinder*innenverbände in Deutschland ist, hat über mehrere Monate lang einen Hilfseinsatz in Polen durchgeführt. Natürlich gemeinsam mit dem polnischen Verband der Pfadfinder*innen. Diese hatten die deutschen Pfadfinder*innenverbände um Hilfe gebeten.  Die polnischen Pfadfinder*innen waren durch die Dauer und (emotionale) Belastung der Hilfseinsätze auf Unterstützung angewiesen. Deshalb sind jede Woche einige Pfadfinder*innen mit dem Zug nach Polen gefahren und haben dort entweder in Krakau im Bahnhof an einer Sandwich-Station oder am Grenzbahnhof zwischen Polen und der Ukraine in Przemysl geholfen. Am Bahnhof bestand die Aufgabe hauptsächlich daraus, den Menschen in den ankommenden Zügen beim Umsteigen und vor allem beim Tragen des Gepäcks von einem Gleis zum anderen zu helfen. Dabei gab es jeweils eine Tag- und Nachtschicht, bei denen eigentlich fast durchgängig Koffer geschleppt und mit brüchigem Ukrainisch der Weg erklärt werden musste.

An beiden Orten gab es neben den Pfadfinder*innen eine bunte Mischung aus Helfenden aus der ganzen Welt. Dadurch gab es neben tollen Gesprächen und einem wirren Sprachmix viele spannende Geschichten zu erzählen, die auch mal vom Ernst der Lage abgelenkt haben.

Nach einer Woche war es dann wichtig, erst einmal wieder nach Hause fahren zu können, um das Erlebte verarbeiten und sich selbst schützen zu können. Für alle, die nach Polen gefahren sind, waren es unglaublich anstrengende, emotionale, aber auch bereichernde Tage, die das Gefühl hinterlassen haben, wenigstens etwas geholfen zu haben.

Wie erkläre ich Kindern den Krieg?

Pfadfinden ist vor allem Kinder- und Jugendarbeit und findet dabei hauptsächlich in regelmäßigen Gruppenstunden vor Ort, meist für Kinder ab der zweiten Klasse statt. Natürlich kam in diesen schnell das Thema Krieg auf. Schließlich gehen die Sorgen der Großen selten an Kindern spurlos vorbei. Aber wie spricht man eigentlich mit Kindern über Krieg? Um den Gruppenleitungen zu helfen, wurde eine Handreichung [AG1] erarbeitet, die einfach erklärt, wie man mit dem aufkommenden Thema Krieg umgehen. [LL2] Hierbei ging es vor allem darum, Werkzeug an die Hand zu geben, wie man dem Thema Raumgeben und einen konstruktiven Umgang damit schaffen kann und mit Informationen richtig umgeht. Aber auch, wo man Informationen für Kinder und Jugendliche gut aufgearbeitet finden kann und wie man in solchen Zeiten auf sich selbst achtet. Ziel war es also besonders, die noch oft jungen Gruppenleiter*innen mit dem Thema Krieg in der Gruppenstunde nicht alleine zu lassen und ihnen eine Art Leitfaden an die Hand zu geben, mit dem sie arbeiten können. Entstanden ist die Handreichung als gemeinsames Projekt der tschechischen, deutschen und österreichischen Pfadfinder*innenverbänden. Dazu gab es dann auch noch Vorschläge, was in den Stunden gemacht werden kann, um den Menschen auf der Flucht zu helfen.

Mit dem Blick nach vorn 

Nach den vergangenen Monaten voller Engagement, Hilfe und tollen Aktionen bleibt leider eines unverändert: Es herrscht immer noch Krieg in der Ukraine. Aber es wurde für einzelne Menschen unglaublich viel bewirkt und alle haben ein erstaunliches Durchhaltevermögen bewiesen. Und auch in Zukunft wird es weiter Unterstützung geben. Schließlich braucht es viele kleine Schritte, um die Welt ein bisschen besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat. Die Pfadfinder*innenverbände stehen weiter eng zusammen und werden einander nicht im Stich lassen.

 

Erschienen in: et: Aufbrüche. Politische Jugendbildung in Krisenzeiten. 2022

https://www.evangelische-akademien.de/wp-content/uploads/2022/12/et_jahrbuch_S54-57_VCP.pdf

 

Quelle Zitat: https://www.scout-o-wiki.de/index.php/Baden_Powell_(Zitate)

Handreichung: https://www.vcp.de/pfadfinden/how-to-talk-to-children-about-war-wie-spricht-man-mit-kindern-ueber-den-krieg/

 

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