Wer schon einmal eine Gruppe oder einen Partnerstamm aus dem Ausland auf einem Lager zu Gast hatte, der weiß, dass sich Pfadfinden in anderen Ländern ganz schön von den eigenen Gewohnheiten unterscheiden kann, aber immer besondere Erfahrungen sind. Doch wie ist das, wenn man nicht nur zwei Pfadfindergruppen zusammenbringt, sondern gleich 70 junge Ranger und Rover aus 21 europäischen Ländern versammelt, die sich davor nicht kennen?
Genau diese Erfahrung können Ranger und Rover auf der WOSM European Youth Agora (kurz einfach nur Agora) machen. Die Agora ist eine Veranstaltung, die von WOSM (World Organization of the Scout Movement) organisiert und von einem jährlich wechselnden Gastgeberland durchgeführt wird. Dieses Jahr haben wir uns in Portugal getroffen. Für die Verbände des Rings deutscher Pfadfinder*innenverbände (rdp) nahmen vom 12. – 16.04.2023 Eva und Tim aus dem Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) und Niklas aus dem VCP (Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder) teil.
Bei dem seit 2007 jährlich stattfindenden Treffen geht es vor allem darum, dass sich Ranger und Rover international Austauschen und Netzwerken können. Die Teilnehmenden sollen erfahren, was Pfadfinden in anderen europäischen Ländern bedeutet. Dabei gilt bei der Agora die Devise: „Von Rovern für Rover“, denn die Agora wird jedes Jahr aus einem internationalen Team von Rovern organisiert, die oft an der vorherigen Agora teilgenommen haben. Dieser Umstand und die bunte Mischung aus Pfadfinder*innen sorgte beim Essen dafür, dass man immer wieder mit neuen Gesichtern und Geschichten konfrontiert war und rege Gespräche führte.
Da das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum der Veranstaltung stand, ging es bei der diesjährigen Agora nicht nur um den internationalen Austausch, sondern auch darum, uns mit dem Earthtribe-Programm von WOSM bekannt zu machen. Das Programm soll Pfadfinder*innen weltweit animieren, sich durch lokale Projekte in ihren Gemeinden für mehr Nachhaltigkeit, Klimaschutz, aber auch soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Dazu stützt sich das Programm auf die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (englisch: Sustainable Development Goals, SDGs), die weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahren sollen. Im Rahmen der Agora gab es dazu verschiedene Vorträge und Workshops, wie Nachhaltigkeit eine Lösungsstrategie für globale Probleme, wie den Klimawandel, Ressourcenknappheit oder Armut sein kann. Zudem gab es Inspirationen durch die Betrachtung vergangener Earth-Tribe-Projekte und Unterstützung bei Themenfindung und der Durchführung von eigenen Projekten.
Neben den Vorträgen und Workshops stand vor allem die Völkerverständigung und der interkulturelle Austausch im Vordergrund: So brachten alle Delegationen zur International Night für ihr Heimatland typisches Essen mit, das die anderen probieren konnten. Dabei durften Gummibärchen aus Deutschland natürlich nicht fehlen! Da die deutsche Delegation überwiegend aus Süddeutschland kam, gab es zudem noch Obazda (eine bayrische Käsezubereitung) und schwäbische Käsespätzle (Sorry, Norddeutschland!). Zudem lernten wir von der griechischen und der irischen Delegation verschiedene Tänze kennen und hatten großen Spaß daran, sie auszuprobieren.
Beim Programmpunkt des Community-Service gab es die Möglichkeit, die lokalen Verbände und Gemeinden bei verschiedenen Aktivitäten zu unterstützen: Während eine Kleingruppe auf dem lokalen Pfadfinderzeltplatz Büsche stutzte, halfen andere bei lokalen Sport- oder Gartenbauvereinen aus.
Auch sonst waren wir viel außerhalb des Tagungszentrums unterwegs und besuchten an einem Abend das Heiligtum von Fátima, einen Wallfahrtsort, den jährlich etwa acht Millionen Menschen besuchen und die viertgrößte Kirche der Welt beherbergt. Das war wirklich beeindruckend! Zudem statteten wir der nahegelegenen Kloster Batalha, einem UNESCO-Weltkulturerbe, einen Besuch ab, bevor wir bei der Host-Night gemeinsam mit portugiesischen Pfadfinder*innen auf ihrem Zeltplatz den Abschluss der Agora feierten.
Zusammenfassend war die Agora ein sehr erlebnisreiches Event, das genau die richtige Größe hat, um international langfristige Kontakte zu anderen Pfadfinder*innen zu knüpfen. Das besondere an der Agora ist die einzigartige Stimmung, die aus einem motivierten, bunten Haufen Fremder innerhalb von wenigen Tagen Freundschaften entstehen lässt, die hoffentlich nachhaltig sind. Erste Aktionen, um unseren bunten Haufen an Pfadfinder*innen wieder zusammenzubringen sind zumindest schon in Planung.