Wie unsere Kinder in den Garten kamen – die lange Version

Foto: Matthias Tschöpe

von Jakob Krueger

Die Anfänge – Kleinkindschulen vor 200 Jahren

In den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten „Kleinkinderziehungseinrichtungen“. Grund dafür war, dass die wachsende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten und die Frühindustrialisierung Frauen und Mütter in die Arbeit außerhalb des eigenen Haushalts trieb, was im damaligen „traditionellen“ Familienbild alles andere als normal war.

Die sogenannten Kleinkindschulen waren eine vorbeugende Maßnahme, damit die Zuhause unbeaufsichtigten Kinder nicht körperlich und sittlich verwahrlosten – und sie zu gefügigen Mitgliedern der bestehenden Gesellschaftsform (Monarchie) zu erziehen.

Das führte zur ersten Gründungswelle solcher Kleinkindschulen – auch von kirchlicher Seite, die die genannten Ziele frühkindlicher Erziehung um eine religiöse Komponente ergänzte.

 

Friedrich Fröbels „Kindergarten“

Friedrich Fröbel (1782-1852) stellte sich nun die Frage, wie eine bildende Wirkung auf kleine Kinder erzielt werden könnte und entwickelte eine Theorie der Kleinkindpädagogik. Der Mittelpunkt dabei war die Bildung des Menschen.

Er entdeckte das Spiel als die Art des kindlichen Lernens und Verstehens der Welt.

1851 wurde seine pädagogische Idee von der preußischen und bayrischen Regierung (damals gab es Deutschland als Staat noch nicht) verboten, wegen „atheistischer und sozialistischer Tendenzen“. 1860 wurde das Verbot ausdrücklich zurückgenommen.

 

Der Konflikt mit der Kirche: moderne oder traditionelle Familie?

Über die Begründung und die Zielsetzung öffentlicher Kleinkinderziehung entbrannte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Streit zwischen der Fröbelpädagogik und Vertreter*innen von konfessionell gebundenen Kleinkinderschulen. Während die Verfechter Fröbels ein allgemeines Bildungsprogramm und nach den Weiterentwicklungen der Pädagogik durch Bertha von Mahrenholtz-Bülow und besonders Henriette Schrader-Breymann auch die Öffnung für nicht-bürgerliche Kinder forderten, beharrten die kirchlichen Träger auf einem strengen Familienbild und bestritten eine prinzipielle Existenzberechtigung von Kindergärten. Mit anderen Worten: Der Anthropologie (=Menschenlehre) der Selbstentfaltung stand eine theologische Anthropologie mit Erbsünden- und Gnadenlehre gegenüber.

Der Konflikt schlief allerdings mit der Zeit ein.

 

Keine staatliche Förderung

Der Forderung des Deutschen Fröbel-Verbands, Kindergärten als Regelanstalt einzuführen, kamen die Behörden im Deutschen Kaiserreich trotz der zunehmenden Ausbreitung nicht nach. Einerseits lag die Priorität vor allem auf dem Ausbau des Pflichtschulwesens, andererseits gab es massive finanzielle Bedenken.

So war auch die Kindergärtnerinnenausbildung bis 1908 auch nicht staatlich geregelt und um 1910 gab es für 100 Kinder von drei bis sechs Jahren erst ca. 13 Kindergartenplätze (bei starken regionalen Differenzen). Zumal die Kindergärten aufgrund der fehlenden staatlichen Förderungen mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen hatten.

Die Reichsschulkonferenz 1920, die das Schulsystem in der neuen Weimarer Republik neu ordnete, brachte nicht den erhofften Durchbruch für Kindergärten. Zwar wurden sie im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz verankert, jedoch wurde nur der momentane Zustand festgeschrieben und es gab nach wie vor keine staatlichen Zuschüsse.

 

Der Fröbel-Montessori-Streit

In den 20er Jahren gewannen die Lehren von Maria Montessori viele Anhänger. Ihr pädagogischer Ansatz war von einer methodisch angeleiteten Selbsttätigkeit des Kindes überzeugt. Frei nach dem vielzitierten Motto „Hilf mir, es selbst zu tun“.

Dadurch entstand ein fundamentaler Streit mit den Anhängern Fröbels, die die starre methodische Form des Wissenserwerbs ablehnten und die eigene Lehre des freien Spiels mit ihren kreativen Möglichkeiten der kindlichen Selbstentfaltung vorzogen.

Der Streit mündete in einer gegenseitig kritischen Würdigung.

In den späten 20er Jahren kam außerdem eine weitere reformpädagogische Bewegung nach Deutschland: die Waldorfpädagogik.

 

NS-Zeit

Während der NS-Zeit trat auch die NS-Propaganda in die Kindergärten ein, auch wenn zumindest die in kirchlicher Trägerschaft ihre Unabhängigkeit behalten konnten. So wurde den Kindern auch Rassenhygiene und Gehorsamkeit vermittelt – und sie wurden geschlechtsspezifisch erzogen: Jungen sollten Soldaten werden, Mädchen Mütter.

 

Kindergärten in der DDR und der BRD

In der DDR wurde das Konzept Kindergarten schon 1946 in der damals noch Sowjetischen Besatzungszone in das staatliche Bildungssystem übernommen – in der Bundesrepublik blieb es vorerst eine reine Nothilfe.

Bis in die 60er Jahre. Mit einer in Aussicht stehenden Vorschulreform sollte eine Verschulung der Kindergartenzeit angestoßen werden und die Diskussion darum machte den Bedarf an Betreuung deutlich. Dies führte zur Gründung vieler gemeinnütziger Kindergartenvereine, die meist auf Elterninitiativen zurückzuführen waren.

Ende der 70er gab es dann endlich die ersten Kindergärtengesetze, die unter anderem eine staatliche Beteiligung vorsahen und so die Ausbreitung massiv förderten.

Auch die Ausbildung wurde reformiert, 1967 und zuletzt 1982, eine Akademisierung wie sie in anderen Ländern üblich ist, gibt es in Deutschland allerdings nicht.

Ein weiterer Meilenstein wurde 1991 beschlossen: Seitdem gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz.

 

Heutzutage sagen wir meist „Kindertagesstätte“, wenn wir von der frühkindlichen Betreuung sprechen. Das finde ich sehr schade, denn auch für mich war mein (Wald-)Kindergarten nicht einfach nur ein Ort, wo mich meine Eltern abgegeben haben, um arbeiten zu können. Für mich war es ein Garten (bzw. ein Wald), in dem ich wachsen und gedeihen konnte – und in dem es so viel zu entdecken gab.

In den politischen Debatten unserer Zeit kommt das meiner Meinung nach zu kurz.

Ich denke, dass Politiker*innen viel zu oft über die Funktion der Kindergärten für Erwachsene sprechen, anstatt das Kind in den Fokus zu rücken.

 

Und ich finde, dass Kindern das Draußenspielen ermöglicht werden muss! Die Bewegung in der Natur und der Kontakt zur Umwelt sind immens wichtig für die Entwicklung unserer Kinder – bei Regen und bei Sonnenschein.

 

Quellen zum Weiterlesen:

Geschichte des Kindergartens (Kindergartenmuseum)

Kindergartenkonzepte im Überblick (Kindergarten.info)

Keine Kita ohne Außengelände (Deutsches Kinderhilfswerk)

VCP-Blog