von Mona Tarrey
Ungefähr 70 km nördlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm liegt die Studierendenstadt Uppsala – Heimat des Stammes „Wasa“ oder wie er auf Schwedisch heißt „Wasakåren“. Der Wasakår ist mit 430 Mitgliedern einer der Größten des Landes. Die Gruppen treffen sich einmal wöchentlich zur Gruppenstunde. Zu jeder Gruppe gehören ungefähr 25 Kinder und 3-5 Leiter*innen. Innerhalb der Gruppe gibt es sogenannte „Patrullen“ mit jeweils 5-7 Mitgliedern.
Es ist Anfang Dezember, wir sitzen mit unserer Gruppe „Stigfinnare“ in der rot-weißen Pfadi-Hütte und backen Pfefferkuchen für den jährlichen Weihnachtsmarkt. „Stigfinnare“ heißt übersetzt Pfadfinder*in. Eigentlich nennen die schwedischen Pfadis sich „Scouterna“, wie die britischen „Scouts“. Die Gruppe gibt es seit Beginn der 1940-er Jahre. Jedes Jahr kommen neue Kinder hinzu, andere gehen eine Altersstufe hoch. Die Aufnahme erfolgt bis heute nach einem geheimen Ritual, welches sich die ersten Stigfinnare überlegt haben. Die Jugendlichen sind 12 bis 14 Jahren alt und gehören somit zu der Stufe der „Äventyrare“ (= Abenteurer*in).
Zwischen Teig naschen und Plätzchen ausstechen, kommen wir ins Gespräch, was es eigentlich bedeutet Pfadfinder*in zu sein. „Oh, was für eine schwere Frage,“ sagt Måns. Die meisten sind hier, weil ihre Freund*innen, Geschwister, Cousinen, Eltern oder Großeltern bei den Pfadfinder*innen waren. „Dort schien es immer besonders lustig zu sein,“ berichtet Felicia. „Ich hatte nicht so viel vor am Nachmittag,“ erklärt Nils. Klara erzählt, dass sie eigentlich auf der Warteliste stand: „Aber dann konnte ich zum Glück meine Mama überzeugen Leiterin zu werden. So habe ich direkt einen Platz bekommen.“ Dies ist in Schweden ein verbreitetes Phänomen – viele Leiter*innen sind Eltern. Die außergewöhnlichste Geschichte hat Adrian zu berichten. Er war vor einigen Jahren mit Freunden im Wald. Dort haben sie einige Pfadfinder*innen getroffen. „Mit ihnen habe ich mich lange unterhalten. Das hat mich so begeistert, dass ich selbst Pfadfinder geworden bin.“
Wir überlegen weiter, was Pfadfinden ausmacht. Draußen sein, neue Dinge erleben, Abenteuer, auf Hajk gehen, zelten, Herausforderungen meistern, Spaß – sind die ersten Ideen. Ich frage, ob Pfadfinden für sie genauso ist wie ihr Sportverein. Nein! Da sind sich die Jugendlichen ziemlich schnell einig. „Pfadfinden ist irgendwie langfristiger. Vielleicht mein ganzes Leben. Wir teilen ja nicht nur ein Hobby, sondern auch Werte,“ versucht Joel seine Gefühle in Worte zu fassen. Lisa ergänzt: „Bei den Pfadfinder*innen haben alle die gleichen Voraussetzungen, auch wenn wir alle unterschiedlich sind. Es gibt keine Anforderungen, was du können musst. Es ist irgendwie frei.“ „Ein Training fürs Leben?“ fragt Tilda.
Die Plätzchen sind inzwischen im Ofen und es riecht wunderbar weihnachtlich. Während wir warten, frage ich nach ihrem Lieblings-Hajkessen. „Hajkbombe,“ kommt sofort die Antwort von Axel. „Neee, das schmeckt doch nur nach Alufolie,“ wirft Joel von der Seite ein. Das Gericht ist für die Jugendlichen so selbstverständlich, dass sie auf meine Nachfrage, was dort alles reinkommt, nur antworten: „Nun ja, alles, was man will.“
„Was gibt es eigentlich noch für Traditionen bei den schwedischen Pfadis,“ frage ich weiter. „Na der Weihnachtsmarkt,“ ruft Tilda. „Und, dass wir Kluft und Tuch tragen,“ ergänzt Måns. Er war zusammen mit Adrian und Joel drei Wochenenden hintereinander auf Hajk. Mindestens ein viertes wollen sie noch durchziehen. „Als wir letzte Woche in Südschweden in Kluft im Zug unterwegs waren, haben uns direkt zwei internationale Pfadfinder angesprochen. Einer kam aus Kenia und einer aus Brasilien. Das war schon cool,“ erzählen die drei Jungs. „Aber irgendwie schon auch ein bisschen steif,“ gibt Lisa zu bedenken. „Also in Schweden haben wir ja nicht so viele Regeln, aber in anderen Ländern muss man seine Kluft glaube ich sehr ordentlich tragen.“
Während wir die Kekse aus dem Ofen holen und mit dem Verzieren beginnen, plaudern wir über internationales Pfadfinden. „Für euch Deutschen bedeutet euer Tuch doch alles, oder?“ Lisa schaut mich fragend an. Bevor ich antworten kann, setzt sie fort: „Wir wollten einmal mit einer deutschen Gruppe tauschen, aber die wollten nicht. Dann haben sie erzählt, dass sie ihre Tücher nicht waschen. Schon ein bisschen eklig.“ „Außerdem trinkt man Tschai und hat große schwarze Zelte,“ weiß Tilda zu berichten. „Und man isst salzige Gurken und Brezeln,“ ergänzt Joel. Letzteres wird in dieser Gruppe wohl für immer ein Mythos bleiben. Die anderen Leiter*innen haben sich hier zu Beginn meiner Zeit einen Spaß erlaubt. Mittlerweile ist es der Lieblings-Snack der Gruppe.
Es ist Zeit zum Aufräumen. Die Jugendlichen sind mittlerweile richtig in Erzähllaune und diskutieren ihre schönsten Pfadi-Erinnerungen. „Das Sommerlager,“ rufen Disa, Klara und Felicia im Chor. „Es war so gigantisch! Man konnte nicht nur Pfadfinder*innen aus Schweden, sondern auch aus der ganzen Welt treffen.“ „Schon spannend, dass es fast überall auf der Welt Pfadfinder*innen gibt. Nur in einigen Ländern nicht,“ mischt sich David ein. Axel erzählt, wie er einmal eine große „Essenskirche“ gebaut hat: „Mit Stämmen, Seilen und Planen haben wir eine Konstruktion gebaut. Es ist wie ein Zelt, das ein bisschen aussieht wie eine Kirche. Bei Regen konnten wir hier im trockenen Essen.“
Bevor alle nach Hause gehen, versammeln wir uns wie jede Woche auf der Wiese vor der Hütte. In der Mitte steht eine Petroleumlampe. Kurze Feed-Back Runde und zum Abschluss der gemeinsame Stammes-Ruf. Die Gruppenstunde endet mit dem Pfadi-Gruß: „Var redo!“ – „Alltid redo!“
Rezept Hajkbombe
Ihr braucht*:
- Kartoffeln
- Käse
- Fett (z.B. Magarine)
- vegetarische) Köttbullar
- (vegetarische) Fleischwurst
- Mais
- Zwiebeln
- Tomaten
- Pilze
- Créme Fraiche
- Gewürze
- Alu-Folie
- Lagerfeuer
So wird’s gemacht:
- Zutaten kleinschneiden
- Essensschale mit einem Stück Alu-Folie auslegen
- Zutaten nach Belieben hineinfüllen
- Alufolie fest zu einem Ball verschließen
- Um die eigene Hajkbombe wiederzuerkennen, kann man die Spitzen der Alu-Folie in einer bestimmten Form gestalten
- ins Feuer legen (je nach Inhalt ca. 5-15 Minuten)
Guten Appetit! Smaklig måltid!
Tipp: Zutaten mit langer Kochzeit zu Hause vorkochen
*Zutaten können beliebig erweitert oder abgeändert werden
Spieltipp von Filippa: Knutgubbe (= Eckennmann)
Gespielt wird um ein freistehendes Haus. Eine Person wird als „Knutgubbe“ (= Eckenmann) bestimmt. Alle Mitspielenden versammeln sich an einer Hausecke. Mit Spielstart läuft die Person, die Knutgubbe ist gegen den Uhrzeigersinn, alle anderen im Uhrzeigersinn um das Haus. Ziel der Spielenden ist es, wieder an der Startecke anzukommen. Die Herausforderung besteht darin, dass der Knutgubbe nicht sehen darf, wie man sich bewegt. Hat man eine Hand an einer Hausecke ist man sicher und Bewegung ist erlaubt. Befindet man sich zwischen zwei Hausecken muss man „einfrieren“, sobald der Knutgubbe einen sehen kann. Erwischt dieser einen bei einer Bewegung, muss man an die Start-Ecke zurückkehren.
Lieblingslied von Joel und Måns: Gasflygmaskin, scoutsången Gasflygmaskin
En gasflygmaskin en dag uppfann jag
med den uti rymden försvann jag
En flygtur på tre minuter hann jag
sen hände det så här (på’t ungefär)
Först kom ett dån, sen kom ett vin
och sen kom hela flygmaskin
Sen kom en krans från farbror Frans
och sen kom stadens ambulans
Och sen kom det tre journalister
från Stockholms Aftonblad
och sist kom jag
Eines Tages erfand ich eine Gasflugmaschine
Mit der ich im Weltraum verschwand
Einen dreiminütigen Flug schaffte ich
Und dann geschah es wie folgt
Erst kam ein Brüllen, dann kam ein Wein
Und dann kam die ganze Flugmaschine
Und dann kam ein Kranz von Onkel Francis
Und dann kam der Krankenwagen der Stadt
Und dann kamen drei Journalisten
vom Stockholmer Abendblatt
und schließlich kam ich
https://fb.watch/hoI_APJc-O/
Scoutsången
Vi äro svenska scouter vi och
löftet som blev givet.
En vårdag brusande och fri
står på vår panna skrivet.
För Gud för kung och fosterland
vart än i livet ställer.
Var redo när det gäller
med hjärta håg och hand.
Var redo hör den stormens il
som genom världen skrider.
Håll spänd din sträng håll blank din pil
nu är det knoppnings tider.
Nu knyta vi vårt syskonband
i kärlek och i gamman.
Nu smida vi det samman
kring hela Sveriges land.
Wir sind schwedische Pfadfinder und
das Versprechen, das gegeben wurde.
Ein Frühlingstag, geschäftig und frei
steht auf unserer Stirn geschrieben.
Zu Gott für König und Vaterland
Wo auch immer man im Leben steht.
Sei bereit, wenn die Zeit kommt
Mit Herz und Hand.
Sei bereit, hör den Schrei des Sturms
Der durch die Welt fegt
Halte deine Sehne straff und deinen Pfeil hell
Jetzt ist die Zeit der Knospen.
Jetzt binden wir unser Geschwisterband
In der Liebe und in Freude.
Jetzt schmieden wir es gemeinsam
Rund in ganz Schweden.