Zuschrift „ZIEL ERREICHT! Oder?“

Gendersternchen Beitragsbild

Der offene Brief des VCP Bundesrates und der VCP Bundesleitung nach dem BuLa in der anp 03/2022 spricht vieles an, was auf dem BuLa nicht gut gelaufen ist und wirbt dafür, im Verband mutiger zu sein und Dinge auszusprechen und kritisch zu betrachten – dies möchten wir hiermit tun!

Es gibt viele Dinge, die den Verband aktuell umtreiben: Gendern, welches Liedgut singen, den Verbandsnamen ändern, der Umgang auf dem BuLa und ein offener Brief, der alle Wogen glätten soll? Wir haben also einen Plan: Los geht’s?!

Als Erwachsene im VCP beschäftigt uns seit geraumer Zeit die Entwicklung des Verbandes dahingehend, möglichst „woke“ zu sein, korrekt zu gendern und nach Möglichkeit alle Diskriminierungen von vornherein auszuschließen! In jeder der letzten Ausgaben der anp finden sich Hinweise und Artikel, wie wichtig und toll gendern ist und ein Satz ohne Sternchen erscheint einem schon beinahe nicht politisch korrekt! Es folgen Aufforderungen sich möglichst nach allen Regeln der Kunst in den neuen Mainstream einzuordnen.

Der VCP hat also ein Ziel: Es sollen alle Geschlechter und vermeintlich weniger Wahrgenommene in jedweder Form angesprochen und sichtbar gemacht werden. Nun wissen wir alle, dass der Weg das Ziel ist – und gerade da geraten wir ins Straucheln! Warum bedarf es zum Erreichen des Zieles einer derartigen Umänderung, für unser Gefühl fast schon Zerstörung, unserer Sprache, die weltweit ihresgleichen sucht? Und: Warum müssen wir Menschen im Sprachgebrauch auf ihre Sexualität reduzieren?

Wir sind seit nunmehr 30 Jahren Mitglieder des VCP und haben etliche Veränderungen miterlebt. Und seitdem wir denken können leben wir eine offene und tolerante Kultur der Integration aller Menschen in unserem Umfeld und haben dazu niemals eine andere Sprache sprechen müssen als die, die wir vor ca. 50 Jahren anfingen zu erlernen. Sicherlich ist es richtig, wo es angebracht ist, weibliche Formen in der Sprache oder bei Anreden zu verwenden, Titel zu ändern, neutralere Formen zu suchen und nicht leichtfertig mit Sprache umzugehen. Dies darf aber keine Veränderung ins Unbenutzbare bedeuten. Viel mehr bedarf es im Umgang miteinander Offenheit, Toleranz, Verständnis und Liebe zu den Menschen – denn damit funktioniert ein Miteinander auf Augenhöhe tadellos! Die Vorkommnisse auf dem BuLa 2022 haben gezeigt: es ist für den VCP noch ein langer Weg bis zum Ziel!

Bevor wir unsere Sprache zerstören, traditionelles Liedgut auf eine Art verändern, dass wir den Liedern und Texten aus ihrer Zeit und Entstehungsgeschichte heraus nicht mehr gerecht werden und bevor wir  uns auf männlich /weiblich/ diverse Toiletten verteilen anstatt unisex zu sein, sollten wir uns lieber rückbesinnen auf unsere Hausaufgaben. Diese hat der Verband in den Sippen und Stämmen zu erledigen, um all das, was er sich mit großartigen Worten – im wahrsten Sinne des Wortes – auf die Fahnen geschrieben hat, zunächst an der Basis durch aktives Handeln zu bestätigen und zu untermauern. Keine noch so korrekt gegenderten Artikel oder eine Veränderung des Verbandsnamens bringen den Verband nach vorne, wenn das Handeln der Mitglieder sich nicht darin widerspiegelt!

Und, um es konkret zu sagen: auch wir fühlen uns diskriminiert. Als Erwachsene im VCP! Etwa ein Drittel unserer Mitglieder ist Ü30, zum Teil deutlich älter und vermutlich nur noch zu einem eher geringen Prozentsatz aktiv. Aber eben dieses Drittel ist auch Teil des VCP und dort großgeworden. Sie sind oft nur noch unterstützendes/zahlendes Mitglied, oft älter/weiß und männlich und sollen sich stillschweigend einem Trend beugen, der vermutlich noch nicht einmal bei der Hälfte aller VCP’ler eine positive Resonanz findet. Die Toleranz, die die Jüngeren eben von jenen älteren Mitgliedern selbst erwarten, wird der Gruppe der Älteren nicht ansatzweise entgegengebracht.

Wir dürfen nicht vergessen, dass viele dieser Themen eine sehr akademische Grundlage haben, die in den immer gleichen Bubbles diskutiert werden und in anderen Kreisen der Bevölkerung keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielen. Es tut weh, wenn man sich nach 30-40-50 Jahren aktiver Pfadfinderei nur noch als Beitragszahler vorkommt, z.B. alle 4 Jahre mal seinen Urlaub auf dem BuLa opfern darf, um Fachbereiche abzudecken, die sonst zu leer wären oder bei denen man `alte Hasen´ braucht und ansonsten mundtot gemacht wird, weil man nicht auf der aktuellen Welle mitschwimmen mag. Richtig kritisch und für uns auch gleicherweise sehr belastend wird es dann, wenn einem von jüngeren Führungsverantwortlichen kein Feedback zuteilwird, man teilweise gar nicht mehr angehört wird oder einem gar nahegelegt wird, den Verband zu verlassen, sofern man mit den Entscheidungen nicht mitkommt oder sich dort nicht mehr wiederfindet. Es fühlt sich für uns so an, als ob die Jüngeren großzügig mit sehr viel moralischer Keule und dem erhobenen Zeigefinger für sich und ihre Ansichten Toleranz einfordern, aber selbst eine ganz erhebliche Altersdiskriminierung an den Tag legen. Dies ist sicherlich gar nicht beabsichtigt, und bleibt von den Akteuren möglicherweise auch unbemerkt. Früher trat man nach unten, heute eben nach oben.

Leider ist auch die Kritikkultur sehr unterschiedlich geworden. Während man sich früher harte Wort um die Ohren hauen konnte, werden heute deutliche Worte oder Kritik der Älteren leider nicht mehr einfach als konstruktiv oder gar berechtigt gehört, sondern als persönlicher und damit unzumutbarer Angriff empfunden. Darauf folgen nicht selten unverzüglich Ablehnung sowie lautstarker Protest, womit dann letztendlich leider keine gute Diskussion mehr möglich ist.

Barack Obama erkannte bereits in einem Interview in 2019 mit der New York Times, dass der Aktivismus junger Menschen dazu führen kann, andere Menschen an den Pranger zu stellen. Auf diese Weise entstehe eine Schwarz-Weiß-Sicht, der jeglicher Raum für Dialog und Aufklärung fehle. Da alle Menschen jedoch mehr oder weniger Fehler haben, entwickelt sich auch die in Teilen stringente Richtungsvorgabe im VCP zum Problem, wenn wir dies nicht sorgfältig beobachten, diskutieren und verbessern.

Es fühlt sich für uns mitunter so an, als ob im Verband eine Art Cancel-Kultur vorherrscht, in der Menschen, die Dinge anders sehen, die Stimme entzogen wird, um ihnen die Plattform zu entziehen. Damit wird eben auch denen der Raum für einen Austausch und Entwicklung genommen, die sonst Gutes tun. Wir wünschen uns einen kritischeren Umgang mit Veränderungen im Verband! Eine junge Bundesleitung ist für einen Jugendverband toll, nur nicht auch gleichzeitig ein Abbild des gesamten VCP. Eine intensivere Wahrnehmung der älteren Mitglieder im Verband, die diesen vermutlich in der Vergangenheit auch zu der Größe gebracht haben, die er heute hat, erscheint dringend erforderlich.

Und letztendlich: Bevor der Verbandsname geändert und einem Teil der Mitglieder ihre pfadfinderische Heimat genommen wird, wäre auch Folgendes denkbar: Warum nicht in der BV im kommenden Jahr für eine Mitgliederbefragung stimmen, um ein flächendeckendes Meinungsbild zu erhalten. Ein Mehrheitsbeschluss ist doch letztlich für alle gut.

Lieber Abstimmen als Bauchgefühl! Vielleicht ist es tatsächlich einfacher, Unterschiede mit Toleranz anstatt mit Gleichmachen zu überwinden! Wir möchten Euch und uns alle dazu aufrufen und darum bitten, hier dringend im Gespräch zu bleiben.

Wir sind sehr gerne dabei. Plan – voll!

Marion Hahn, Thorsten hospi Hospodarsch

VCP-Blog