Zwischen Heimatlosigkeit und Freiheitsliebe

Zwischen Heimatlosigkeit und FreiheitsliebeFoto: Illustration: Miriam Lochner

von Rica Rösner

Bedächtig gehe ich die Auffahrt hinauf und betrachte die Fassade des alten Bauernhauses, in dem ich viele Jahre lang gelebt habe. Sie ist über und über mit Weinranken bedeckt. Inzwischen wohnt nur noch meine Oma hier. Trotzdem breitet sich ein bekanntes Gefühl in mir aus und mein Herz wird etwas leichter. Hier bin ich ein Stück weit beheimatet, auch wenn ich seit Jahren schon woanders wohne.

Aber was bedeutet eigentlich beheimatet, geht es mir durch den Kopf. Woher weiß ich, wo meine Heimat ist? Ich bin in meinem Leben bereits zehn bis fünfzehn Mal umgezogen – irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Und als Pfadfinderin bin ich von Natur aus gerne unterwegs. Stillstand fällt mir schwer, am liebsten entdecke ich Neues. Die Frage nach der Heimat beschäftigt mich also schon seit ich denken kann.

Wenn Freund*innen erzählen, dass sie heimfahren, erwische ich mich dabei, dass ich nicht wüsste, welchen Ort ich als Heimat bezeichnen würde. Lange Zeit dachte ich, das sei etwas Schlechtes. Heimatlos, entwurzelt. Das klingt ganz schön beängstigend.

Oder vielleicht auch nicht? Wenn ich mich nicht auf einen Ort beschränke, habe ich dann nicht eine viel größere Freiheit? Bedarf es in unserer heutigen globalisierten Welt überhaupt noch einen festen Ort, den man als Heimat bezeichnet? Oder kann ich mich immer und überall beheimatet fühlen? Mir vielleicht selbst eine Heimat sein.

Heimat ist nicht länger auf einen Ort, eine Gegend beschränkt. Heimat ist vielmehr ein Gefühl.
So vielschichtig und facettenreich wie die Menschheit selbst.

„You make me feel at home“, singt Jon Bryant in seinem Lied „At Home“. Denn Menschen können dir Heimat geben. Erlebnisse können dir Heimat geben. Gerüche. Erinnerungen. Emotionen. Bestimmte Speisen. Das Telefonat mit deinem besten Freund. Die Postkarte von deiner Schwester. Und vor allem du selbst kannst dir eine Heimat sein. Wir müssen uns in dieser schnelllebigen Welt nicht heimatlos fühlen, wenn wir uns selbst genug sind. Und das sind wir.

Zwischen Heimatlosigkeit und Freiheitsliebe
Illustration: Miriam Lochner
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