Zwischen Stillstand und Bewegung

von Rica Rösner

Ich zähle die Sekunden. Tick tack, tick tack, wirft mir die Uhr an der Wand anklagend entgegen. Deswegen sollte man sich keine lauten Uhren kaufen. Sie erinnern einen nur daran, dass die Zeit unaufhaltsam voranschreitet. Tick tack.

Und doch habe ich das Gefühl, dass sie stillsteht. Ich versuche gerade, einen Antrag zu formulieren. Mir fehlen nicht nur die Worte, sondern auch die Motivation. Und deshalb macht mir die Zeit einen Strich durch die Rechnung. Eine Stunde wollte ich mich hinsetzen, bisher sind drei Minuten und neun Sekunden verstrichen. Time flies, von wegen.

Dann gibt es Tage, da vergeht die Zeit wirklich wie im Flug. Rast nur so davon, wie ein weißer Sportwagen auf deutschen Autobahnen. Ich kann mich noch an ein besonderes Sommerlager erinnern. Unter dem Motto Störtebecker verkleideten wir uns als Seeräuber*innen. Das Programm war spannend, das Wetter toll, die Stimmung euphorisch. Dann mussten wir plötzlich schon abreisen, zehn Tage waren vergangen, gefühlt in einem Wimpernschlag.

Ich denke, dass das nicht nur an der fehlenden Uhr an nicht vorhandenen Wänden lag. Zeit ist letztlich auch nur ein Gefühl. Sie fliegt davon, wenn wir glücklich sind. Und tröpfelt, wenn wir nichts zu tun haben. Natürlich können wir sie messen, die Sekunden zählen. Uns Countdowns erstellen, die Tage abhaken, wenn wir uns auf etwas freuen. Tick tack.

Sind nicht gerade die Momente so besonders, in denen wir die Zeit völlig vergessen? Wenn wir mit der Gruppe wandern gehen, abends am Lagerfeuer sitzen, Geschichten erzählen. Sterne statt Sekunden zählen. Den Lauf der Sonne statt des Stundenzeigers beobachten. Freundschaften schließen, die ein Leben lang halten, nicht nur einen Tag.

Manchmal sollten wir die Uhr einfach beiseite legen. Den Moment viel bewusster wahrnehmen – egal, ob er nun eine Sekunde oder eine Stunde andauert. Zeit ist relativ, wie schon Albert Einstein sagte. Mal vergeht sie schnell, mal langsam. Laute Uhren an der Wand sollten ohnehin verboten werden. Kein Tick tack, sondern viel mehr ein Gefühl für die Zeit.

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