Review zum Film „Gelobt sei Gott“

von Heiko Schmelz

Missbrauch an Kindern und Jugendlichen innerhalb der beiden großen Kirchen und ihrer Einrichtungen ist seit Jahren leider dauerhaft und immer aufs Neue in den Nachrichten.

Spätestens seitdem der Film Spotlight im Jahr 2016 den Oscar für den besten Film gewann, ist das Thema auch im Mainstream Kino angekommen. Leaving Neverland, die Enthüllungs-Dokumentation, die erneut den verstorbenen Michael Jackson des Missbrauchs beschuldigt, sorgte auch in Deutschland erst kürzlich für großes Aufsehen und teilweise erhitze Gemüter. Jetzt rückt der französische Regisseur François Ozon mit seinem Film „Gelobt sei Gott“ den systematischen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche und genauer, in einer Pfadfindergruppe, zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Alexandre lebt mit Frau und Kindern in Lyon. Eines Tages erfährt er per Zufall, dass der  Priester Preynat, von dem er in seiner Pfadfinderzeit missbraucht wurde, immer noch mit Kindern arbeitet. Er beschließt zu Handeln und nach über 30 Jahren an die Öffentlichkeit zu treten. Zunächst versucht er innerhalb der Kirche einen Prozess anzustoßen. Schnell kommt es zur von der Kirchenpsychologin organisierten Gegenüberstellung von Alexandre und Pater Preynat. Ohne  zögern gesteht Preynat den Missbrauch, nicht nur an Alexandre, sondern an dutzenden Jungen. „Gelobt sei Gott“ zeigt keine Hexenjagd auf einen Kinderschänder der seine Taten leugnet oder überführt werden muss. Es geht um die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass über 70 Kinder misshandelt wurden und von der Gemeindesekretärin bis zum Bischof alle wussten was vor sich geht, ohne einzuschreiten.

Dabei erzählt der Regisseur überwiegend in einer erschreckenden Sachlichkeit und Kälte wie die Betroffnen und ihre Familien versuchen die Geschehnisse aufzuarbeiten. Eigentlich sehr untypisch für Ozon, verzichtet er vollkommen auf explizite Darstellungen und lässt die Details des Missbrauchs aus dem Off in Briefwechseln und Befragungen der Polizei einsprechen. Gerade diese sachlichen und detaillierten Schilderungen der Betroffenen, die Nachfragen der Polizei und Psychologin nach möglichst detaillierten Beschreibungen der Tathergänge lassen einen geschockt zurück. In Rückblenden schneidet Ozon immer wieder in die friedliche Atmosphäre eines Sommerlagers. Über diese eigentlich normal anmutenden Szenen von spielenden Kindern, Lagerfeuern und Zelten legt sich der Schatten des Wissens um den allgegenwärtigen Missbrauchs. Wird zusammen das „Vaterunser“ gebetet, so wird die Bitte nach Vergebung der Schuld im Subtext zu einer perversen Verhöhnung der anwesenden Opfer.

Wer sich bereits mit dem Themenkomplex Missbrauch in der Pfadfinderarbeit beschäftigt hat wird feststellen, wie exakt François Ozon die Mechanismen beobachtet hat, die Täter anwenden um Jahrzehnte lang weitgehend unbehelligt agieren zu können. Mehr jedoch bezieht sich Ozon auf die Aufarbeitungsstrategien der Opfer. Die Überwindung des Schweigens ist erst der Beginn eines Kampfes um Anerkennung und Konsequenzen, voller juristischer Hürden und gesellschaftlichen Stigmata. Ozon kann dies so treffend vermitteln, da er in „Gelobt sei Gott“ seinen eigenen Missbrauch verarbeitet und für den Film seine Geschichte und der anderen Opfer fiktionalisiert hat. Das die beteiligten Mitwisser und Preynat bis heute nicht oder nur teilweise verurteilt wurden, zeigt wie relevant weiterhin auch die filmische Bearbeitung des Themas bleibt.

Es bleibt gerade für uns wichtig uns daran zu erinnern, dass Missbrauch immer stattfinden kann und es gilt diesen zu erkennen und schnell zu unterbinden. Ein Film wie „Gelobt sei Gott“ der einen emotional berührt, bleibt einem dabei vielleicht länger in Erinnerung als eine Arbeitshilfe.

Am 26. September 2019 startet „Gelobt sei Gott“ bundesweit in den deutschen Kinos.

Aufarbeitung im VCP

Auch in den Gruppen des VCP hat es in der Vergangenheit Fälle von sexualisierter Gewalt gegen minderjährige Mitglieder gegeben. Mehrere Betroffene haben sich bereits gemeldet. Der VCP wird sich der Verantwortung stellen und die Fälle aufarbeiten. Neben Prävention und Intervention kommt nun Aufarbeitung im Umgang mit sexualisierter Gewalt im VCP hinzu.

Noch sind viele Fragen zur Gestaltung des Aufarbeitungsprozesses offen. Die Bundesleitung hat Esther Koch, Bildungsreferentin und Präventionsbeauftragte aus der Bundeszentrale und Jakob Hoffmann, Bildungsreferent aus dem VCP Hessen, mit der Vorbereitung des Aufarbeitungsprozesses beauftragt. Fragen oder Anregungen zu ihrer Arbeit können gerne aufarbeitung@vcp.de gerichtet werden.

Pfadfinder*innen beschließen Initiierung eines Aufarbeitungsprozesses zu sexuellem Missbrauch

VCP-Blog