Der See Genezareth oder das Galiläische das Galiläische Meer

See-Genezareth Beitragsbild Zeichnung: Jascha Buder

Mehr als ein Binnenmeer

von Andreas Witt

„Galiläisches Meer“, „See Genezareth“, „Harfensee“, „See von Tiberias“. Der See Genezareth hat mehrere Namen – und im Neuen Testament ist häufig nur vom „See“ die Rede. Dieser harfenförmige See im Norden Israels ist bis zu 21 km lang, 13 km breit und liegt 212m unter dem Meeresspiegel! Er ist damit der tiefstgelegene Süßwassersee der Welt. Ein echter Superlativ! Doch seine größte Bekanntheit erlangte der See Genezareth durch Jesus Christus, der – nach seiner Taufe im Jordan (Mt 3,13–17) – hauptsächlich im Gebiet rund um dieses Binnengewässer wirkte.

Mehr als eine kleine Hafenstadt

Die kleine Stadt Kafarnaum diente Jesus und seinen Anhänger*innen wahrscheinlich als Stützpunkt. Natürlich heilte und predigte Jesus auch in dieser Hafenstadt: Berühmt ist die Geschichte vom „Hauptmann von Kapernaum“ (Mt 8,5–13). Heute kann man in Kafarnaum die Überreste einer alten Synagoge (aus dem 4. Jahrhundert n. Chr.) oder die Fundamente vom „Haus des Petrus“ (Mt 8,14–17) besichtigen.

Mehr als Fischer

Die Fischer Simon-Petrus und sein Bruder Andreas – nach Joh. 1,44 aus der Stadt Betsaida – waren die ersten Jünger. Jesus versprach diesen beiden, dass er sie zu „Menschenfischern“ machen werde (Mt 4,18–20). Möglicherweise liegt hier ein Grund dafür, dass der Fisch zu einem wichtigen, (ur-) christlichen Symbol wurde. Im Gleichnis „Vom Fischnetz“ vergleicht Jesus das Himmelreich mit einem Fischnetz, das „Fische aller Art fängt“ (Mt 13,47– 52). Der See Genezareth war und ist übrigens sehr fischreich. Auch die Jünger Jakobus und Johannes waren von Beruf Fischer (Mt 4,21–22)

Mehr als eine Jüngerin

Nicht weit von Kafarnaum liegt Magdala – der Heimatort der wohl bekanntesten Jüngerin Jesu: Maria von Magdala. Jesus hatte diese von „sieben bösen Geistern“ befreit (Lk 8,1–3). Maria (von Magdala) war beim Tode Jesu anwesend (Mk 15,40) und zählte zu den Frauen, die als erste dem aus dem Tod auferstandenen Christus begegneten (Mt 28,1–10). Über die Frage, ob zwischen Jesus und Maria von Magdala „mehr lief“ (als eine platonische Lehrer-Schülerin-Beziehung), wird viel spekuliert. Biblisch überliefert ist, dass mehrere Frauen Jesus als Jüngerinnen nachfolgten (Lk 8,1–3).

Mehr als Naturgesetzmäßigkeiten

Die Bibel berichtet von zahlreichen Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen Jesu in den Orten am See Genezareth. Eine sonderbare ist die Heilung des „Besessenen von Gerasa“: Böse Geister – namens „Legion“ – fahren aus dem Besessenen in Säue und diese Säue ertränken sich danach im See (Lk 8,26–39).

Doch auch viele Naturwunder sollen sich am oder auf dem See ereignet haben:

Die Speisung der Vier-/Fünftausend

(Mt 15,32–39 und Mt 14,13–21), Jesu Gang über das Wasser (Mt 14,22–33 ) oder die Sturmstillung (Mt 8,23–27). Ob Jesus übernatürliche Kräfte besaß, oder ob die Wunder naturwissenschaftlich erklärbar sind, darüber lässt sich kontrovers streiten. So könnten plötzlich auftretende, heftige Fallwinde eine mögliche naturwissenschaftliche Erklärung für das Wunder der Sturmstillung sein. Die Evangelisten deuteten die Wunder als Zeichen für die Vollmacht Jesu: „Du bist wahrhaftig Gottes Sohn“ bekennen „die, die im Boot waren“ (Mt 14,33) nach Jesu Gang über das Wasser.

Mehr als ein Bootswrack

Als im Jahr 1986 zufällig das Wrack eines alten Bootes im Uferschlamm des Sees gefunden wurde, war dies eine Sensation. Denn dieses Boot stammt tatsächlich aus der Zeit Jesu – und beflügelt als „Jesusboot“ (von Magdala) die Phantasie. Archäologen halten das Wrack für einen typischen Bootstyp aus der Zeit Jesu.

Mehr als eine Predigt

Nördlich von Kafarnaum steht auf dem Berg der Seligpreisungen eine achteckige Kirche. Die acht Ecken erinnern an die acht Seligpreisungen (Mt 5,3–10), mit denen Jesus seine berühmteste Rede eröffnete: Die Bergpredigt (Mt 5–7)! Mahatma Gandhi und Martin Luther King haben auf Grundlage dieser Jesusworte ihre revolutionäre Methode des gewaltlosen Widerstands entwickelt.

Mehr als historische Wirkungsstätte Jesu

Auch nach dem Tod Jesu schrieb See Genezareth Geschichte. Nach der Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. war die Stadt Safed, die oberhalb der Städte Kafarnaum und Tiberias liegt, im 3. Jahrhundert Sitz des jüdischen Synedrions (hebr. „Sanhedrin“). Dieser „Hohe Rat“ war damals die höchste religiöse, politische und juristische Instanz des jüdischen Volkes. In Safed wurde 450 n. Chr. der Talmud, die (nach der Thora) zweitwichtigste Schrift des Judentums vollendet.

Zeitsprung: Am 29.10.1910 errichteten jüdische Pioniere im Rahmen der zionistischen Bewegung am Südufer des Sees Genezareth, dort, wo der Jordan aus dem See herausfließt, „Degania Aleph“ als ersten Kibbuz. Ein Kibbuz ist eine selbstverwaltete, landwirtschaftliche Gemeinschaftssiedlung, deren Lebens- und Wirtschaftsweise sich unter dem Motto zusammenfassen lässt: Jeder gibt, was er kann, jeder erhält, was er braucht. Die Kibbuzim spielten im Rahmen der Besiedlung und Staatsgründung Israels im Mai 1948 eine wichtige Rolle. Heute existieren rund 270 Kibbuzim in Israel. Viele liegen in den fruchtbaren Landschaften rund um den See Genezareth.

Der See Genezareth: Mehr als ein beliebiges Binnenmeer!

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