Die Suche nach dem Sündenbock

von Neals Nowitzki

Ganz egal, ob in der Gruppenstunde, auf dem Stammeslager, auf einer Landesversammlung oder in unserem Alltagsleben: Da, wo Menschen zusammentreffen, können auch Konflikte und Probleme entstehen. Es entstehen Diskussionen und manche Gespräche sind dabei nicht immer lösungsorientiert und konstruktiv. Es ist nur zu einfach, schnell einen Sündenbock zu finden.

Aber woher kommt dieser Sündenbock eigentlich? Um diese Frage zu klären, müssen wir die Zeit mehr als 2.000 Jahre zurückdrehen. Unsere heutige Redewendung vom Sündenbock hat ihren Ursprung im Land Israel und diente dort als Sühnepraxis des jüdischen Volkes. Dabei wurden zwei Ziegenböcke aus der Herde einer Gemeinde ausgesucht und zum Tempel gebracht. Ein Los entschied, welches der beiden Tiere dem Gott Jahwe, unserem Gott, geopfert wurde. Dem anderen Bock wurde durch das Handauflegen eines Priesters symbolisch alle Sünden des Volkes übertragen.

Und was dann? Der Ziegenbock wurde durch die gesamte Stadt gejagt und in die Wüste getrieben. Durch diese Handlung des Priesters wurde das jüdische Volk von aller Schuld befreit. Für uns klingt es schon nach einer komischen Zeremonie, jedoch war es ein fester Bestandteil der Feierlichkeiten am jüdischen Festtag Jom Kipur, dem Versöhnungstag zwischen Gott und den Menschen. Weil diesem einen Lebewesen die Sünden aller Menschen übertragen und er anschließend in die Wüste geschickt wurde, obwohl dieses selbst eigentlich gar keine Sünde begangen hatte, sprechen wir heute vom „Sündenbock“.

Übrigens: Der letzte echte „Sündenbock“ wurde vor rund 2.000 Jahren in die Wüste geschickt. Heutzu­ tage wird der jüdische Versöhnungstag Jom Kipur anders gefeiert. Es ist ein feierlicher und heiliger Tag, an dem viele Juden weiße Kleidung als Symbol der Reinheit tragen, manche fasten sogar auch. An diesem Tag versuchen die Menschen, ihren Frieden zu finden, und wer sich mit einer anderen Person gestritten hat, versöhnt sich mit ihr. Das nenne ich doch mal wahre Versöhnung. Aus der Bibel selbst kennen wir sogar ein wirksames Mittel gegen Ausgrenzung und Beschuldigungen: Die Nächsten­ liebe – Jesus selbst lebte und handelte danach. Durch Nächstenliebe, Vergebung und Neuanfänge können – auch wir Pfadfinder*innen – Personen davor schützen, ausgegrenzt, beschuldigt oder sogar gemobbt zu werden.

Lasst uns also niemanden einfach so als Sündenbock in
die Wüste schicken!

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