Eine Sammlung von Glücksmomenten

von Johannes Malinowski

Wir Leben in einer Zeit, in der unser Alltag stetig schneller und hektischer wird. Alles muss digital laufen, ohne Smartphone geht niemand mehr aus dem Haus. Wie schön wäre es, wenn wir unsere eigene Welt so gestalten könnten, wie wir es wollen. Wenn wir Herr*Frau über alles wären und jeder sich danach richten würde, wie wir es uns wünschen und wie unsere perfekte, schöne neue Welt aussähe. Einen Tag Gott spielen. Klingt ziemlich großspurig und größenwahnsinnig. Doch aus einer gesunden Portion Besessenheit und ein bisschen Glück kann Großes entstehen. Die Brüder Frederik und Gerrit Braun aus Hamburg sind das beste Beispiel dafür.

Die beiden Geschäftsleute kamen im Sommer 2000 im Urlaub auf die Idee, eine Modelleisenbahn zu bauen. Und zwar nicht irgendeine. Es sollte die größte der Welt werden. Etwas noch nie zuvor Dagewesenes. Die spinnen, die Hamburger? Falsch. Aus dem Urlaubstraum entstand bis heute eine 1500 Quadratmeter große Modellwelt mit über 15 Kilometern Modelleisenbahngleis, fahrenden Autos, Schiffen und Flugzeugen im Mini-Format.

Wie kommt man auf so eine verrückte Idee? „Eigentlich ist das ein Fall für den Psychologen“, sagte Gerrit Braun im letzten Jahr in einem Interview mit der „Zeit“. „Unsere Eltern haben sich früh getrennt, unsere Mutter ist gestorben, als wir 18 waren. Erzählungen zufolge war das alles nicht optimal. Aber wir erinnern unsere Kindheit als Traum. Wir haben uns eine eigene Welt geschaffen.“ Sein Zwillingsbruder Frederik ergänzt: „Eine heile, sichere Welt. Wenn du sammelst, gibt es eigentlich nur Glücksmomente.“

Glücksmomente, die wir auf der letzten anp-Redaktionssitzung in Hamburg gesucht haben. Wir hatten das große Glück, ins Miniatur Wunderland in der Speicherstadt eingeladen zu werden. Vor Ort hielten wir Ausschau nach Pfadfinderszenen, von denen wir gehört hatten. Und tatsächlich: Im Bauabschnitt „Schweiz“ wandert eine Pfadi-Gruppe durch die Alpen. Und auch an einem Bahnhof sieht man eine Gruppe rucksacktragender Jugendlicher mit Hemd und Halstuch. Pfadfinden in der schönen neuen Welt im Maßstab 1:87.

Rund 20 Millionen Euro haben die Brüder Braun bisher in ihr Miniatur Wunderland investiert, die Zukunftspläne sind groß. Oft erzählen sie von ihren Träumen, in einen gegenüberliegenden Speicher mittels einer Glasbrücke über den Fleet zu expandieren. Sie selbst leben bescheiden. Der eine am Hamburger Stadtrand, der andere am Flughafen. Mehrmals im Jahr veranstalten sie Events für Leute, die die 15 Euro Eintritt für einen Erwachsenen nicht aufbringen können. Die dürfen die Anlage dann kostenlos besuchen. Auch das ist ein Stück schöne neue, heile Welt.

Dennoch: Man muss kein Millionen-Unternehmen gründen, um an einer besseren Welt zu arbeiten. Aber wie ein friedliches Miteinander aussehen kann, davon kann man sich im Miniatur Wunderland einen guten Eindruck verschaffen.

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