Erde + Odem = Adam

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Ein biblischer Spaziergang vom Paradies, durch den Bibelgarten, über den Friedhof und zurück zum Paradies.

von Andreas Witt

Aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte“ (1. Mose 2.6–8).

Nach dem zweiten Schöpfungsbericht – übrigens ist dieser wahrscheinlich der ältere der beiden biblischen Schöpfungsmythen – schuf Gott den Menschen und die Tiere aus feuchter Erde vom Acker. Dies spiegelt sich auch im Namen des ersten Menschen Adam wider: denn sprachlich ist der Name Adam mit dem hebräischen Wort „Adamah“ („Ackerboden“) verwandt.

Seit Alters eher wussten die Menschen: Erdboden und Wasser sind Voraussetzungen für das Leben, Pflanzen benötigen Wasser, Licht und Erde zum Wachsen und Gedeihen. Die Pflanzen und ihre Früchte bilden die Basis der Nahrungskette. Jesus benutzt dieses Grundwissen in manchen Gleich nissen – zum Beispiel im Gleichnis vom kleinen Senfkorn, aus dem ein gewaltiger Baum wächst (Mt. 13.31–32 par.), oder im Gleichnis vom Sämann, dessen Saat nur „auf gutem Land“ auf gehen, gedeihen und „dreißig­“, „sechzig­“ oder „hundertfach“ Frucht trägt (Mt. 13.3–9 par.).

Im Garten Eden lebten die beiden ersten Menschen, Adam und Eva, wortwörtlich im Paradies. Denn das Wort „Paradies“ kommt aus dem Persischen und bedeutet „umzäunter Raum“ oder „Garten“. Das himmlische Paradies als jenseitiger Ort ewiger Glückseligkeit, wo die Menschen frei von Leid, Sünde und Schuld sind, findet sich in vielen Religionen und Kulturen. Doch auch unsere diesseitigen, irdischen Gärten sind für viele Ein biblischer Spaziergang vom Paradies, durch den Bibelgarten, über den Friedhof und zurück zum Paradies.

Menschen ihr persönliches Paradies: In Gärten und Parks können wir die Natur genießen, pflanzen, säen, ernten, allein sein und meditieren oder Freund*innen treffen und gemeinsam spielen, picknicken, grillen, … und den Alltag vergessen.

Ganz besondere Gärten sind Bibelgärten: In diesen Themengärten wachsen biblische Pflanzen und laden dazu ein, bestimmten Bibelstellen nachzuspüren und über diese nachzudenken: Ein Apfelbaum erinnert an den Garten Eden (1. Mose 2.4b–25) und den Sündenfall (1. Mose 3). Dornengestrüpp an die Berufung des Mose (2. Mose 3.1–4.17) oder die Dornenkrone Jesu (Mt. 27.29). Ein Weinstock illustriert das Jesuswort „Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben“ (Joh. 15.5), erinnert aber auch an die „Hochzeit zu Kana“ (Joh. 2.1– 12) oder das „Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg“ (Mt. 20.1–16) und viele andere Bibelstellen. In der Bibel kommen circa 110 verschiedene Pflanzen vor – und bei manchen Bibelstellen grübeln Theolog*innen und Botaniker*innen, um welche Pflanze es sich hier genau handelt. Denn die Bibel kennt zum Beispiel rund 20 Vokabeln für Dornen und Disteln! In Bibelgärten wachsen viele dieser biblischen Pflanzen und bieten einen botanischen Bibelzugang. Hier kann man die biblischen Pflanzen sehen, riechen und fühlen. Allein in Deutschland gibt es über 300 Bibelgärten. Der älteste existiert seit 1979 als Teil des Loki­SchmidtGartens in Hamburg. In seiner Mitte steht auf einem kleinen Hügel ein go­ßes Kreuz, unter dem Passionsblumen und Christusdorn wachsen.

In der Nähe erblüht im Frühjahr ein Mandelbaum als erster Baum. „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“ So dichtete im Jahr 1942 in der Ohnmacht von Shoa und Weltkrieg der tiefgläubige, jüdische Religionswissenschaftler und Schriftsteller Shalom Ben­Chorin, der 1935 aus Berlin nach Jerusalem geflohen war, und er interpretierte in diesem Gedicht, das später als Lied populär wurde, die Berufungsgeschichte des Propheten Jeremias (Jer. 1.4 ff., insbesondere Jer. 1.11).

In kurzer Entfernung zum Mandelbaum wächst im Hamburger Bibelgarten ein 100 Jahre alter Olivenbaum, der in den Wintermonaten durch ein mobiles Gewächshaus geschützt wird. Er erinnert an die Menora, den großen, siebenarmigen, jüdischen Leuchter im Tempel von Jerusalem. Vielleicht fühlen sich im Angesicht dieses alten Ölbaums manche Besucher*innen sogar in den Garten Gethsemane in Jerusalem versetzt, in dem Jesus betete und anschließend verraten und verhaftet wurde (Mt. 26.36 ff.).

Ob in Jerusalem oder Hamburg: In allen Gärten sprießen im Frühling die Pflanzen aus der Erde hervor, bis sie im Herbst und Winter wieder vergehen. Unsere christliche Beerdigungsliturgie nimmt dieses Bild des Werdens und Vergehens auf, wenn es vor der Beisetzung am Grab heißt: „Von der Erde bist du genommen, zur Erde sollst du werden (vgl. 1. Mose 3.19).“ Nicht umsonst sind unsere Friedhöfe als große Gärten angelegt und symbolisieren – genauso wie eigentlich jeder Garten – das himmlische Paradies.

Tipps für die Gruppenarbeit:

  • Besucht einen Bibelgarten und lest dort die biblischen Geschichten, an die die jeweiligen Pflanzen erinnern, nach!
  • Begebt euch auf die Suche nach biblischen Pflanzen (in einem botanischen Garten, Park, Gartencenter oder Baumarkt)!
  • Sucht auf einem Friedhof Symbole, die auf das Paradies hinweisen!
  • Legt selbst einen (kleinen) Bibelgarten (oder ein Bibelbeet) an!
  • Besorgt euch Pflanzen oder Früchte, die in der Bibel vorkommen, und gestaltet zu den entsprechenden biblischen Geschichten eine Andacht oder einen Gottesdienst!

Informationen rund um das Thema Bibelgarten und Pflanzen in der Bibel findet ihr auf folgenden Internetseiten:

bibelgarten.com

bibelgarten.info

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