Lächeln schenken

Autorinnenbild_janne_wanner_DSC_1353Janne Wanner, Reutlingen

Janne kommt aus dem Stamm Jizchak Schwersenz und hat 6 Monate in Nepal verbracht. Sie war zur Zeit des verhängnisvollen Erdbebens in Kathmandu. Hier folgt ihr Bericht.

25. April. Menschen gehen geschäftig durch die engen Straßen. Motorräder bahnen sich hupend ihren Weg vorbei an Straßenhändlern, die lauthals ihre Ware anpreisen. Bettler schlafen ihren Rausch in Hausnischen aus. Kinder spielen fröhlich in ihren schmutzigen Schuluniformen. Gemüse, Reis, Linsen und bunte Blumenmalas liegen ausgebreitet. An den unzähligen Tempeln und Schreinen vollführen alte Frauen Mantras murmelnd ihre Rituale. In der einen Gasse duftet es nach Masala und Tee, in der nächsten nach Fäkalien und Abgasen. Das Fett brutzelt in den dunklen Garküchen, wo sich Männer zum täglichen Plausch treffen.

Es scheint ein ganz gewöhnlicher Vormittag in Nepals Hauptstadt Kathmandu zu sein. Niemand ahnt, dass in jene freundlich dreinblickenden Augen bald ein Ausdruck tiefer Angst einkehren wird.

Genau um 12 Uhr mittags (des 25. April 2015) beginnt die Erde zu grollen. Wände biegen sich, als wären sie aus Gummi. Fenster zersplittern. Mauern stürzen ein, reißen ganze Gebäude mit sich. Der Boden tut sich auf. Menschen rennen panisch schreiend umher, klammern sich Halt suchend aneinander. Für einen Moment wird die Erde ruhig. In uns bebt es weiter. Die ersten Nachrichten von tödlich Verunglückten machen sich breit. Dann bebt es von Neuem. Die Erde scheint all ihre Kraft beweisen zu wollen.

In den Stunden und Tagen nach dem Hauptbeben erkennt man Nepal nicht wieder. Garagentore halten die Einkaufsläden geschlossen. Straßen, die einst lebendig waren, sind tot und von Trümmern gesäumt. Häuser stehen leer. Ganze Dörfer sind verschwunden und die Wege und Pfade zu ihnen verschüttet. Die Menschen sind unglaulich angespannt, voller Entsetzen und Trauer. Man versucht, es sich auf offenen Plätzen und in Parks gemütlich zu machen. Kunstvoll werden Plastikplanen gespannt. Glück hat, wer sich noch darunter quetschen kann. Alle anderen werden vom Regen überrascht. Dicht an dicht gedrängt werden alte Lieder angestimmt. Wir fallen in einen unruhigen Schlaf. Aber immer wieder werden wir von der bebenden Erde geweckt. Menschen schreien, rennen, weinen, haben unbeschreibliche Angst, doch das gastfreundliche Herz der Nepalesen hört auch hier nicht auf zu schlagen. Selbst an jenen Morgen wird uns süßer Tee angeboten und ein Lächeln geschenkt.

Trinkwasser und Lebensmittel werden von Stunde zu Stunde knapper. Man teilt, was man noch finden kann. Krankheiten verbreiten sich in den Lagern. Nach wenigen Tagen der Not öffnen die ersten Geschäfte wieder. Die Verkäufer arbeiten unter großem Risiko, doch sie brauchen den Verdienst, um ihre Familien zu ernähren. Andernorts helfen viele, so gut sie können bei Aufräumarbeiten. Trümmer werden durchwühlt, Verschüttete geborgen, Verletzte versorgt. Die Totenfeuer an den heiligen Flussufern brennen hell und unaufhörlich.

Nachrichten über das Ausmaß der Beben verbreiten sich schnell. Knapp 9.000 Menschen sollen bei dem 7,8 starken Beben und seinen zahlreichen starken Nachbeben ums Leben gekommen sein, etwa 22.300 sind verletzt. Es gilt als die schlimmste Katastrophe mit den meisten Todesopfern in der Geschichte Nepals. Man schätzt, dass mindestens acht Millionen Menschen von dem Unglück betroffen sind und dass mehr als 1,4 Millionen auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind.

Die ganze Welt erfährt davon, ist entsetzt und vergisst wieder. Andere Probleme kommen einem in den Sinn. Die Medien haben ja schließlich bereits von Hilfe für Nepal berichtet. Mit dieser Soforthilfe sind Nepals Probleme jedoch noch lange nicht gelöst.

Ich spreche von einem der ärmsten Länder der Erde. Unzählige Menschen haben Familienangehörige und Freunde verloren. Kinder wurden zu Waisen. Eingestürzte Häuser haben das wenige Hab und Gut, den einzigen geschützten Wohnraum unter sich begraben. Die wenigen Einnahmequellen sind weitgehend zerstört.
Mich erreichen noch immer Mails mit den Worten: „Die Erde hört nicht auf, zu beben. Wir haben solche Angst!“

Die meisten Nepalesen leben von der Hand in den Mund. Viele müssen mit einem Dollar pro Tag auskommen. Wenn selbst dieser fehlt, vergrößert sich das Elend ungemein. Sehr viele Menschen leben in Nepal vom Tourismus, doch nun lässt sich in diesem wunderschönen Land kein Tourist mehr blicken. Dabei sind einige Trekkingrouten und Touristenhighlights verschont geblieben. Man muss dieses Land und seine so herzlichen Bewohner einfach lieben, wenn man es einmal erlebt hat. Ich habe kaum einen Reisenden anders davon sprechen gehört.

Während das Trinkwasser noch immer knapp ist, bricht der Monsun aus den Wolken. Ganze Zeltstädte, die in den vergangenen Wochen aufgebaut wurden, werden von den Fluten davongerissen. Die Menschen fliehen erneut, suchen sich in all dem Chaos vergebens eine neue Bleibe.

Doch sie sollen in all diesem Leid nicht ihre Hoffnung und Zuversicht verlieren und genau da können wir sie unterstützen. Jeder Einzelne von uns kann neue Hoffnung und Zuversicht schenken. Ich wünsche mir, dass wir nicht vergessen und die Arbeit auf halbem Weg fallen lassen, sondern unseren Mitmenschen so weit helfen, bis sie wieder weitgehend auf eigenen Beinen stehen und unter menschenwürdigen Bedingungen leben können.

Janne hat eine Hilfsaktion ins Leben gerufen.Die Spenden sollen die NGO “Partnership for Sustainable Development Nepal” unterstützen.

Bei Fragen:wir-helfen-nepal@web.de

weitere Artikel zum Thema

Die Abzeichenspende des VCP hilft Erdbebenopfern in Nepal

VCP-Blog