Nachruf für Karlheinz Nestle („Mokka“)

Nachruf von Karl Scherer bei der Trauerfeier für Karlheinz Nestle („Mokka“) am Freitag, 29. Juni 2018 in Neustadt an der Weinstraße.

Liebe Inge, liebe Angehörige, werte Trauergemeinde

Die Christliche Pfadfiderschaft trauert um Karlheinz Nestle, ihren Mokka!

Bereits 1948 in der Frühphase ihrer Wiederbegründung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand er den Weg zur CP. Ihr – insbesondere ihrem damaligen charismatischen Führer, Pfarrer Hermann Haaß in Worms – verdankte Mokka, nach eigenem Bekunden, die entscheidende Prägung seiner Persönlichkeit, vor allem seine unerschütterliche Glaubenszuversicht. Ungezählte Male ist er abends nach der Arbeit – er machte eine Schriftsetzerlehre – mit dem Rad in die Nibelungenstadt, gestrampelt – hungrig nach den tastend tiefen Gesprächen mit dem lebenserfahrenen Seelsorger, Pädagogen und Pfadfinderbruder.

Von ihm mit dem notwendigen Rüstzeug ausgestattet, führte Mokka in Neustadt bald eine eigene Sippe und wurde wenig später ganz selbstverständlich auch Stammesführer der Neustadter CP. Schon in jungen Jahren erwies er sich als wahrer „Rattenfänger“, der Buben jeden Alters für die christliche Pfadfinderei zu gewinnen und zu begeistern verstand – für das Leben in der Gruppe im Heim und auf Fahrt und Lager, für die Waldläuferkünste und das Singen und Musizieren, und für die, ihm besonders am Herzen liegende, in der CP obligatorische Arbeit mit der Bibel.

Der bekennende Christ Karlheinz Nestle sah im ,Pfadfinden‘ eine großartige Gelegenheit, dem – jedem Christen gegebenen – Auftrag nachzukommen, die frohe Botschaft, das Evangelium, weiterzusagen. Und er hat diesen Auftrag angenommen. Mit dieser Botschaft im Gepäck hat er – um es leicht pathetisch zu sagen – für sich und seine Pfadfinderbrüder unverdrossen nach dem ,rechten Pfad‘ gesucht, um das große Abenteuer ,Leben“ zu bestehen.

Und er hat sowohl als junger Sippenführer als auch später als Erwachsener – als Kreuzpfadfinder – Gefährten gefunden, die seiner Führung vertrauten.
Wer je in Mokkas wache, strahlende Augen sah, seine heitere Gelassenheit auch in schwierigen Situationen, sein beherztes Zupacken, wenn es galt, und sein fröhliches, befreiendes Lachen erlebte, der wurde unweigerlich davon angesteckt und spürte instinktiv, dass da einer über eine Freiheit und Sicherheit verfügte, die auf einer Glaubenszuversicht beruhten, die aus einem – im wahrsten Sinn des Wortes – frommen Herzen kam.

Nicht überraschend hat ihn Hermann Haaß 1953 – nach der Teilung des CP-Gaues „Burgund“ und der Auswanderung des alten Gauführers Werner Braun nach Canada – bestimmt, die nunmehr den Gau „Neu Burgund“ bildende „Neustadter Ecke“ zu übernehmen und getreu seiner Devise : „Es gibt keine Probleme, sondern nur zu lösende Aufgaben“, hat Mokka die neue Aufgabe mutig angepackt.

Bereits ein Jahr später (1954) führte er seine Jungen auf einer 1. Großfahrt durch Lappland – ein Fahrtenziel, das damals noch am äußersten Rand unseres Fahrtenhorizontes lag, aber Mokka blickte schon immer gern über den eigenen Gartenzaun hinaus. Deshalb ging er auch, um berufliche Erfahrung zu sammeln, noch im gleichen Jahr in die Schweiz, nach Bern, wurde in Thun in die Rovergruppe „Fram“ des schweizerischen Pfadfinderbundes aufgenommen, arbeitete in Spiez in einer Blinden-Pfadfindergruppe mit und hat – weil er einem jeden freundlich, hilfsbereit, ohne Vorbehalte und Berührungsängste gegenübertrat – erstmals etwas von der weltweiten Bruderschaft der Pfadfinder erfahren und erleben dürfen, 1956 in die pfälzische Heimat zurückgekehrt, organisierte Mokka eine weitere Großfahrt, die diesmal nach Korsika geführt und die Teilnehmer so nachhaltig beeindruckt hat, dass sie diese ,Reise“ als alte Männer nach 50 Jahren wiederholt haben! Im Anschluss an das Korsika-Abenteuer hat Mokka – immer bereit Neues zu wagen, Grenzen zu überwinden, fremde Länder und Menschen kennenzulernen – erste Kontakte zu den evangelischen Pfadfindern in Frankreich, den ,Éclaireurs de France‘, in Neustadts Partnerstadt Mâcon geknüpft, und umgehend begonnen deutsch-französische Zeltlager zu organisieren, was damals noch längst keine Selbstverständlichkeit war.

Die Teilnahme am Jubiläums-Jamboree (Weltpfadfindertreffen) in Sudden-Coldfield bei Birmingham in England im Sommer 1957, war ein absoluter Höhepunkt in Mokkas Leben: Pfadfinder aus 87 Nationen feierten den 50. Geburtstag ihrer Bewegung und den 100. Geburtstag ihres Gründers Baden- Powell. Das brüderliche Zusammenleben der 30.000 Lagerteilnehmer in einer riesigen Zeltstadt hat ihn so tief beeindruckt, dass er noch Jahrzehnte danach von „Birmingham“ geschwärmt hat.

Im gleichen Jahr (1957) fiel dem CPer Nestle, der als Jugendführer inzwischen nicht nur in seinem Bund, sondern in der ganzen Pfalz Profil gewonnen hatte, eine ehrenvolle aber auch sehr schwierige Aufgabe zu: Er wurde zum Vorsitzenden des Landesjugendkonvents der Evangelischen Jugend der Pfalz gewählt und hat dieses für die Jugendarbeit wichtige Gremium – zusammen mit dem Theologiestudenten Dieter Rumpf aus Kaiserslautern – mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl bis 1961 geleitet und die nur allzu oft einander widerstreitenden Interessen der verschiedenen Jugendverbände (CVJM, BK, EAJ, Gemeinschaflsjugend, EMP, CP) immer wieder auszugleichen verstanden.

1963 begründete er, inzwischen verheiratet und stolzer Familienvater, engagiert in seiner Kirchengemeinde und – als begeisterter und ausgebildeter Sänger – in der Neustadter Liedeıtafel, die Erwachsenenarbeit in der Landesmark Rheinland-Pfalz der CP und war anschließend über Jahre hinweg rheinland-pfälzischer Delegierter in der Bundesversammlung und in der Bundesvertretung der Älterenschaft.

In den kritischen Nach-68er-Jahren hat Mokka diese Aufgabe dann auch im neugegründeten Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) weiter wahrgenommen und in der Pfalz mit dazu beigetragen, dass sich aus dem Zusammenschluss der beiden kleineren evangelischen Mädchen-Pfadfinderbünde mit der CP der moderne evangelische Pfadfinderverband entwickelt hat, der heute traditionelles Pfadfindertum und fortschrittliche Jugendarbeit verbindet.

Obwohl als Geschäftsführer des Evangelischen Presseverbands der Pfalz und des Evangelischen Presseverlags voll ausgelastet, übernahm er 1990 das Amt des Landesbeauftragten für die (erwachsenen) Kreuzpfadfinder und hat es – noch immer der alte Leitwolf – über ein Jahrzehnt nicht nur verstanden, deren Gemeinschaft zu bilden und zu formen, sondern darüber hinaus im Landesverband Rheinland-Pfalz/Saar des VCP die Überzeugung zu festigen, dass es „kein Kreuz mit dem Kreuz ist“.

53 Jahre hat Mokka zusammen mit Heinz Mathäy und weiteren Pfadfinderbrüdern für den Erwachsenenkreis die jährlich zweimal stattfindenden Treffen organisiert, zu denen er oft ausgewiesene Experten einlud, die über brisante, aktuelle Themen aus Staat, Kirche und Gesellschaft referierten. So informierte im Herbst 2017, auf dem letzten von ihm vorbereiteten und geleiteten Treffen, im Thomashof bei Durlach, ein Vertreter des holländischen Hilfswerks „Open Doors“, über diese weltweit tätige Institution, die sich um die verfolgten Christen kümmert.

Mit dem Jahreswechsel 2017/18 hat er alters- und gesundheitsbedingt den ,Taktstock‘ weitergegeben, sich aber auf weitere Zusammenkünfte und das dabei unvermeidliche „Weißt Du noch damals in . . .“ gefreut. In einem Beitrag für unsere Landeszeitschrift ,Splitter‘ bekannte er: „Die Erinnerung an eine wunderbare gemeinsame Pfadfinderzeit und die lebenslangen Freundschaften, die dadurch entstanden sind, bestimmen immer wieder den Wunsch, ja das Bedürfnis weiteızumachen“. . . und unser Mokka hat weitergemacht, nahm – schon schwer gezeichnet – am diesjährigen Frühjahrstreffen auf der Lichtenburg teil und fand sich, alle Mahnungen seiner Ärzte und seiner Familie hartnäckig überhörend, an Pfingsten auch auf dem Wolfsägerhof ein . . Er spürte, dass sein Stundenglas ausrann. Seine Augen hatten ihren Glanz verloren, Schmerzen quälten ihn, das Sprechen fiel ihm schwer und nur mühsam und für kurze Zeit vermochte er sich noch aufrecht zu halten, aber seine Glaubenszuversicht war ungebrochen.

Beim Abschied sagte er mir leis und deutete dabei mit der Hand auf den Wald, das Haus und die Freunde: „Ich wollte das alles noch einmal sehen . . . erleben . . . eure Stimmen hören, mit euch reden . . . zu Tisch gehen . . . beten“ und dann – nach einer kurzen Pause – „Wir werden uns nicht mehr sehen . . . Es wird nicht mehr lange dauern . . . aber, Du weißt ja, ein alter CPer ist dann nicht allein!“ Ich vermochte nur stumm zu nicken und ihm fest die linke Hand zu drücken. Auf der Heimfahrt, beim Nachsinnen über seine Worte, fielen mir die einfach gereimten Verse von Arno Pötzsch ein:

„Das weiß ich wohl zu sagen
von meines Lebens Fahrt,
dass mich an allen Tagen
hat Gottes Hand bewahrt.

Trotz Ängsten, Last und Sorgen
und wo ich‘s nicht gedacht,
fand ich mich doch geborgen
in seiner Hut und Wacht.“

Gleiches, Mokka, kannst Du auch von Deiner Lebensfahrt sagen. Gott, der Herr, war Dir allezeit Sonne und Schild. Dafür und dafür, dass wir Dich unter uns haben durften, wollen wir ihm in dieser Stunde von Herzen danken und ihn bitten, Dich nun in seinen großen Frieden aufzunehmen.

 

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