Ohren auf! Doch dann das Gegenteil machen – Über den widerspenstigen Propheten Jona und Gottes Barmherzigkeit, Gnade, Langmut und große Güte

von Andreas Witt

„Das Wort des HERRN kam zu Jona, dem Sohn des Amittai: ‚Auf! Geh nach
Ninive, in die große Stadt, und rede ihr ins Gewissen! Ihr böses Tun ist mir zu
Ohren gekommen.‘ (Jona 1.1.)

Ohren auf, den Auftrag Gottes hören und Gottes Stimme gehorchen! So handeln die meisten biblischen Propheten, aber nicht Jona! „Da machte sich Jona auf den Weg, aber genau in die andere Richtung.“ ( Jona 1.2) Warum??? Warum befolgt Jona den Auftrag Gottes nicht? Darüber können wir nur rätseln, denn die Bibel nennt hier keine klare Begründung für Jonas widerspenstiges Verhalten. Hat der Prophet Angst davor, in Ninive nicht gehört, sondern ausgelacht oder gar hingerichtet zu werden? Ninive war ja schließlich die Hauptstadt des assyrischen Reiches – aus jüdischer Sicht ein aggressiver Terrorstaat! Jene Assyrer hatten 722 v. Chr. das Nordreich erobert und 701 v. Chr. fast ganz Juda verwüstet.

Vielleicht widersetzt sich Jona gerade deshalb Gottes Auftrag, weil er den
drohenden Untergang Ninives als gerechtfertigt ansieht. Warum sollte er die
Jona kann sich Gottes Auftrag nicht entziehen.
Ein gewaltiger Sturm zwingt die Seeleute gegen ihren Willen, Jona über
Bord zu werfen. Ein großer Fisch verschlingt Jona, im Bauch des Fisches betet
Jona und danach „spuckt“ der Fisch Jona auf Gottes Geheiß an Land aus.

Für Jona heißt dies wieder: Ohren auf ! „Das Wort des HERRN kam zum zweiten Mal zu Jona: ‚Auf ! Geh nach Ninive, in die große Stadt, und rede ihr ins Gewissen!‘“ ( Jona 3.1) Diesmal erfüllt Jona widerwillig Gottes Auftrag. Wider Erwarten hören die Menschen in Ninive auf Jona und „kehren von ihrem bösen Weg um“, sodass Gott beschloss, seine Drohung, die Stadt zu vernichten, nicht wahrzumachen. Doch anstatt sich über diese Umkehr und die Rettung Ninives zu freuen, ist Jona zornig über Gottes Barmherzigkeit, Gnade, Langmut und große Güte.

Bibelwissenschaftler*innen gehen heute mehrheitlich davon aus, dass das Buch Jona eine erfundene, beispielhafte Lehrerzählung darstellt. Diese wirft Fragen auf, die uns alle betreffen: Wie verhalte ich mich Menschen gegenüber, die ich als „Feind*innen“ betrachte? Können
diese Menschen sich zum Positiven verändern? Wie mag Gott wohl auf diese
Menschen blicken? Auf diese dritte Frage kennt Jona eigentlich eine Antwort:
„Du bist reich an Gnade und Barmherzigkeit, unendlich geduldig und voller
Güte. Du bist ein Gott, dem das Unheil leid tut.“ ( Jona 4.2) Doch warum widersetzt sich Jona trotzdem? Und: Warum verhalten wir uns oft genauso widerspenstig wie Jona

Ideen für die Gruppenstunde

  • Jona empfindet im Laufe der Geschichte viele unterschiedliche Gefühle.
  • Versucht euch in Jona und die andern Personen der Geschichte hineinzuversetzen und baut zu einzelnen
  • Schlüsselszenen der Geschichte Standbilder, die diese Gefühle durch Mimik und Gestik veranschaulichen.

Ihr könnt auch einzelne Szenen als Rollenspiel nachspielen.

  • Inszeniert die Jona-Geschichte als (Life-)Hörspiel und
    versucht durch Klänge, Geräusche und/oder Musik die
    Gefühle Jonas auszudrücken.
  • Lest Jonas Gebet ( Jona 2.2–10) gemeinsam als Textcollage, d.h. jede*r liest die Sätze, die ihm persönlich besonders wichtig sind und versucht mit seiner Stimme, Jonas Gefühle auszudrücken. Ihr könnt dabei einzelne Sätze
    wiederholen, andere Sätze dafür auslassen und auch die
    Reihenfolge der Sätze neu kombinieren!
  • Bastelt aus Bildern (z. B. aus Zeitungen, Zeitschriften,
    Internet) eine Bild-Collage zu dem Thema „Ninive – die
    Terror-Hauptstadt meiner/unserer Feinde“.
    Sprecht anschließend über eure Gedanken und Gefühle
    beim Betrachten der verschiedenen Bilder Eurer Collage.
    Güte. Du bist ein Gott, dem das Unheil leid tut.“ ( Jona 4.2)

Quellenangaben: Die Bibelzitate folgen der Übersetzung
der Basis Bibel (Stuttgart 2021). Das Bonhoeffer-Zitat
stammt aus: Bonhoeffer, Dietrich: Not und Hoffnung in
der religiösen Lage der Gegenwart – Die Tragödie des Prophetentums
und ihr bleibender Sinn (1928/29). In: Ders.:
Gesammelte Schriften Bd. 5, München 1972, S. 119.

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