Ein zweites Mal Genderwatch: Wer spricht eigentlich auf der BV?

Foto: Kai Bendig

55. Bundesversammlung, 14.-16. Juni auf Burg Rieneck

von Rebecca Haugwitz

In diesem Jahr wurde auf der Bundesversammlung schon zum zweiten Mal ein Genderwatch durchgeführt. Das bedeutet, dass beobachtet wurde, wie oft weibliche, männliche oder nicht-binäre Teilnehmer*innen der Bundesversammlung sich in Antragsdebatten melden bzw. wie sich Redeanteile und Redezeit verteilen und wie sich die Versammlung zusammensetzt. Dazu wurde bei der Anmeldung zur Versammlung auch um die Angabe der bevorzugten Pronomen gebeten.

Wie setzte sich die Bundesversammlung 2024 zusammen?

Die Bundesversammlung mit Stimmberechtigten, Mitarbeiter*innen, Gäst*innen und Berichtspflichtigen setzte sich wie folgt zusammen: 44 % gaben die Pronomen sie/ihr an, 48 % die Pronomen er/ihm, die englischen geschlechtsneutralen Pronomen they/them gaben 2 % an und 6 % gaben keine Antwort.

Abbildung 1: Zusammensetzung der Bundesversammlung nach bevorzugten Pronomen

Wer sprach in den Debatten?

Wir haben insgesamt 16 Anträge beziehungsweise Tagesordnungspunkte (TOPs) beobachtet. Erstmal können wir hier darauf gucken, wer die Anträge vorgestellt hat. 81 % der Anträge wurden von männlichen Delegierten vorgestellt; davon in 30 % der Fälle in Kombination mit einer weiblichen Person. Nur ein Antrag wurde alleinig von einer weiblichen Person vorgestellt.

Von den insgesamt 128 Redebeiträgen zu den Anträgen kamen 61 % von männlichen Delegierten, 37 % von weiblichen Delegierten sowie 2 % von Menschen mit dem Pronomen they/them.

Abbildung 2: Anteile an Redebeiträgen

Wie lange wurde gesprochen?

Wir haben neben der Anzahl an Redebeiträgen auch für elf Antragsdebatten die Länge der Redebeiträge protokolliert. Im Schnitt sind die Redebeiträge männlicher Mitglieder nicht nur häufiger, sondern auch länger als die weiblicher Mitglieder. Insgesamt kommen Personen mit den Pronomen sie/ihr auf 40 min (25 %) Redezeit, Personen mit den Pronomen er/ihm auf 106 min (68 %) und Personen mit den Pronomen they/them auf 9 Minuten (6 %). Was hier auch auffiel war, dass viel mehr männliche Personen mit einem Satz wie „Es wurde zwar schon gesagt, aber ich möchte auch noch einmal betonen, dass…“ an eines der Mikrofone traten. Weibliche Personen ließen sich hingegen häufiger von der Redeliste streichen, wenn ihr Punkt von jemand anderem aufgenommen wurde.

Was machen diese Ergebnisse mit euch? Im vergangenen Jahr war der Anteil der männlichen Redebeiträge immerhin noch ca. 9 % höher, der weiblicher Redebeiträge ca. 12 % niedriger. Es scheint sich also schon etwas mehr anzugleichen. Dennoch sind die Unterschiede in der Länge der Redebeiträge immer noch gravierend.

Die Genderwatch kann uns Anhaltspunkte für eine Diskussion darüber geben, wie inklusiv und geschlechtergerecht unsere Gremien sind. Die Ergebnisse sollen für die Thematik sensibilisieren. Überlegt zum Beispiel selbst: Wie setzte sich eigentlich unsere BV-Delegation zusammen, gibt es eine bestimmte Rollenverteilung in der Delegation, wer stellt Anträge vor, warum mache ich einen Redebeitrag, oder warum lasse ich das lieber sein?

Diese Daten sagen natürlich nichts über die Qualität der Beiträge. Wer aber schonmal auf einer Bundesversammlung war, wird bemerkt haben, dass sich Debatten schnell mal im Kreis drehen und vielleicht schon alles gesagt wurde, aber eben noch nicht von jedem.

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