Vom Pfadfinder zum Rentner

Foto: Moritz HedrichFoto: Moritz Hedrich

Erinnerungen von Wolfgang Seeger

Im vergangenen Jahr haben wir 45 Jahre VCP gefeiert. Viele Pfadfinder*innen haben ihre Erinnerungen an das, was sie dem VCP verdanken, über Social Media mit uns geteilt. In der anp berichten wir darüber. Wolfgang Seeger hat – dadurch angeregt – nun seine Gedanken niedergeschrieben und uns per Post zugeschickt. Wir veröffentlichen hier einen Auszug. 

Meine Jugend verbrachte ich in meinem Elternhaus auf dem Tachenberg in Stuttgart – Weilimdorf. Geprägt wurde ich unter anderem durch die Sammlung meines Vaters, der sich der Ethnologie widmete. Das Haus war voll von Gegenständen anderer Kulturen: Afrika, Ozeanien, Prärie-Indianer, Peru und vielen Exponate aus der Tierwelt. Daraus erlernte ich, wie alles vergleichbar ist.

Das Wohnen in einem Tipi oder in der Kothe, das Feuer machen, die Lebensmittel aus der Natur, die komplette Verwendung eines Tieres wie Fleisch, Haut, Knochen, Sehnen, Hufe usw. – alles funktionierte nur in der Gemeinschaft und sollte weiterhin so sein.

Gelernt habe ich Toleranz gegenüber den verschiedenen Kulturen, Religionen und die Liebe zur Natur mit ihrer Vielfalt. Mit dieser Vorgeschichte entschloss ich mich am 7. November 1955 Mitglied der Christlichen Pfadfinderschaft zu werden. Ich gehörte zum Stamm Kreuzfahrer Korntal und der Sippe Geier. (…)

Wenn ich heute mein Probenbuch aus dem Pfadverlag lese, komme ich schon ein wenig ins Staunen und Schmunzeln. Zum Beispiel unter Eigenmaße: Mein Zeigefingernagel war ein Zentimeter breit oder der kleine Finger fünf Zentimeter lang. Waldläuferzeichen, Handhabung von Werkzeugen, Sternbilder, Leibesübungen, Zeltbau, Morsen, Beobachtung in der Natur. Auch dass ich am 12.Januar 1956 15 DM bezahlt habe für ein Hemd, eine Web-Lilie und ein Halstuch. Mit dieser Ausstattung fuhr man stolz wie Nachbars Lumpi auf dem

Fahrrad mit Wimpel durch die Gegend. Natürlich wollte man seine Ausrüstung vervollständigen durch den allseits beliebten Süd-West-Versand. Bergzelt, Esbitkocher‚ Kochgeschirr und ein Beil in der Lederscheide, das man stolz am Gürtel getragen hat. Lang, lang ist es her…

Was ist hängengeblieben zwischen 1956 und 2018 – immerhin 62 Jahren?

Der Grundstein für meine heutige Lebenseinstellung waren Familie Schule, Pfadfinder, Freunde, Beruf und Reisen in fremde Länder. Die Pfadfinder gaben mir die Impulse einigermaßen bescheiden zu leben, die Natur zu lieben und zu schätzen, Freundschaften zu pflegen und für die Mitmenschen ein offenes Ohr zu haben.

Da sich die Zeit so schnell verändert, ist es wichtig, den Dialog mit anderen Generationen zu pflegen, Verständnis für sie zu zeigen und seinen Beitrag mit einzubringen.

Ihr Jungpfadfinder*innen hört auf die Alten,
Ihr Altpfadfinder*innen hört auf die Jungen.

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