Heiliger Müll?

von Andreas Witt, Hamburg

Wie entsorgt man unbrauchbare heilige Gegenstände? Oder: Darf eine Bibel ins Altpapier?

Jeder kennt das: Bestimmte Sachen, die keinen materiellen Wert mehr haben, sind trotzdem unschätzbar wertvoll. Nehmen wir den Teddy aus Kindertagen. Der Gedanke, ihn in die Altkleidersammlung oder gar die Restmülltonne zu geben – unerträglich. Aber objektiv die fachgerechte Entsorgung.

Nicht das Buch, sondern das Wort ist heilig

Mit der Entsorgung von heiligen Dingen verhält es sich ähnlich: Für Protestantinnen und Protestanten dürfte es aus theologischer Sicht eigentlich kein Problem sein, eine zerfledderte Bibel in die Altpapiertonne zu werfen. Denn nicht das gedruckte Buch als Gegenstand ist heilig, sondern sein Inhalt. Nach christlicher Auffassung enthält die Bibel Gottes Wort, aber Gottes Wort wurde von Menschen aufgeschrieben und eine Bibel ist „nur“ ein von Menschen gedrucktes Buch – trotzdem aber für viele Menschen ein besonderes Buch.

In katholischer Tradition werden beschädigte Bibeln in geweihter Erde, zum Beispiel auf einem Friedhof, vergraben. Doch kirchenrechtlich geregelt ist die Entsorgungsfrage von Bibeln in beiden christlichen Kirchen nicht.

Alte Thorarollen gehen ins “Depot”

Anders ist das im Judentum und im Islam: Im Judentum dürfen Texte, in denen der hebräische Gottesname vorkommt, nicht weggeworfen werden. Abgenutzte heilige Tora-Rollen werden in einem abgeschlossenen Raum der Synagoge, der „Geniza“ (hebr. „Lager/Depot“) verwahrt. Als 1986 in Veitshöchheim, nördlich von Würzburg, auf dem Dachboden der ehemaligen Synagoge eine Geniza entdeckt wurde, war das für Theologen und Historiker eine wertvolle Fundgrube: Neben hebräischen Texten fand man auch typische „Judaica“, wie Gebetsriemen (Teffilin), Gebetsmäntel (Tallit) und Kopfbedeckungen (Kippa). Diese werden heute ausgestellt.

Auch das Vergraben von heiligen Gegenständen ist im Judentum üblich. Die abertausenden Zettelchen mit Gebeten, die Gläubige in die Ritzen der Klagemauer in Jerusalem stecken, werden an den jüdischen Festen Rosch Haschana und Pesach unter Aufsicht des zuständigen Rabbiners von Arbeitern eingesammelt und auf dem Ölberg-Friedhof begraben. Vorher müssen die Arbeiter im jüdischen Ritualbad (Mikwe) untertauchen.

Der Koran wird bestattet

Im Islam werden arabischsprachige Korane, wenn sie unlesbar geworden sind, meistens in ein Tuch eingehüllt und wie Tote bestattet. Denn für Muslime ist der Koran die wörtliche Niederschrift der Worte Allahs, die er seinem Propheten Mohammed in der Wüste durch den Erzengel Gabriel offenbart hat. Für Muslime ist der Koran als Buch heilig.

Für alle Religionen gilt: Bei der „Entsorgung“ von heiligen Gegenständen sollte deren Heiligkeit bewahrt werden und es dürfen keine religiösen Gefühle verletzt werden.

Aus Dankbarkeit für ein Wunder….

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Doch andersherum kann aus profanen Müll etwas Heiliges entstehen: Der 86jährige spanische Mönch Don Justo Gallego Martinez wurde einst wie durch ein Wunder von Tuberkulose geheilt. Aus Dankbarkeit baut er seit 1961 in in der Nähe von Madrid eine Kathredale aus Müll: 55 Meter lang, 25 Meter breit und 35 m hoch. Heiliges Upcycling!

Links

Geniza Veitshöchheim: www.jkm.veitshoechheim.de/

Müll Kathedrale: aktuell.evangelisch.de/artikel/5181/die-do-it-yourself-kathedrale-vor-den-toren-madrids

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