Mein Jahr mit den finnischen Pfadfinderinnen

Lea Renz, 22 Jahre studiert Lehramt in Darmstadt und lebt in Nauheim

„Minä olen saksalainen partiolainen.“ Das ist Finnisch und bedeutet: „Ich bin Pfadfinder aus Deutschland.“

Seit August 2015 studiere ich für zwei Semester im wunderschönen und kalten Finnland. Zusätzlich absolviere ich ein Praktikum an einer finnischen Schule. Schon vor meiner Abreise habe ich Kontakt zu den Pfadfinderinnen und Pfadfindern in Finnland aufgenommen – und so meine besten Freunde hier gefunden.

Mädchen und Jungen haben oft getrennte Gruppen

Ich gehöre zu der Gruppe Tapulitytöt der Henrikinkirkko (Kirche des heiligen Heinrich) in Turku, wo ich auch studiere. Die Ortsgruppe besteht aus circa 160 Mädchen. Ja genau, Mädchen und Jungen haben hier oft getrennte Gruppen, auch wenn meine Ortsgruppe sehr eng mit der lokalen Jungengruppe zusammenarbeitet. Das sind Seepfadfinder. Sie haben also ein Boot und verbringen einen Großteil ihrer Zeit mit Segeln und allem was dazugehört. Die Leiterinnen und Leiter der Gruppen sind alle in meinem Alter. Durch sie habe ich nicht nur die finnische Pfadfinderkultur kennenlernen können, sondern auch finnische Freunde gefunden.

Dann fühle ich mich selbst wie eine Schülerin

Immer montags treffe ich mich zur Gruppenstunde mit meiner Gruppe, den Chinchillas, zehn Mädchen im Alter von 13 bis 15. Sie alle verstehen ein bisschen Englisch. Das ist gut, denn mein Finnisch ist immer noch nicht so gut. Sie helfen mir jedoch ganz geduldig. Ich habe immer ein kleines Buch dabei, in das ich neue Vokabeln und Sätze notiere. Oft fühle ich mich eher wie eine Schülerin, sie deuten auf Dinge und sagen Wörter, ich wiederhole die Wörter dann so lange, bis ich sie richtig ausspreche. Das macht Spaß, ist aber auch oft frustrierend.

Jeden Tag geht’s in die Sauna – auch auf dem Lager

Auf dem Frühjahrslager waren wir drei Tage mit vier Gruppen unterwegs. Ziel dabei war es, das, was in den Gruppenstunden gelernt wurde auch praktisch umzusetzen. Die Mädchen kochten auf dem selbst errichteten Lagerfeuer, es wurde gesungen, viele Spiele gespielt viel gelacht und dann ging es ab in die Sauna. Ja, sogar auf dem Lager geht man jeden Abend in die Sauna – und dann schnell ins Eiswasser. Das ist ein Teil der finnischen Traditionen, die ich in Deutschland bestimmt vermissen werde. Auf dem Lager wurde ich offiziell aufgenommen und habe auch meine Kluft bekommen.

Ortsgruppen mit eigenem Trommler

Meine neue Kluft konnte ich im April dann das erste Mal auf der Frühjahrsparade in Turku tragen. Hier kommen alle Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus der Umgebung zusammen, wir waren circa 5000. Nach der Versammlung mit Predigt und gemeinsamen Singen geht es dann weiter als Parade durch die Stadt. Dabei hat jede Ortsgruppe ihre eigenen Trommler, die den Takt vorgeben. Diesen Teil der pfadfinderischen Kultur kenne ich aus Deutschland nicht. Doch dann, als ich an all den Menschen, die in die Stadt kamen, um die Parade zu sehen, vorbeilief, war das schon ein tolles Gefühl.

Nachdem ich in meinem Austauschjahr in den USA bereits in einer Pfadfindergruppe sein konnte, bin ich sehr glücklich, auch hier diese wunderbare Erfahrung machen zu können. Ich werde meine Chinchillas sehr vermissen und noch viel mehr meine Freunde, die ich durch diese internationale Gemeinschaft hier gefunden habe.

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