Jugger: Rasenritter mit Fairness und jeder Menge Spaß

Foto: uhu/uhusnest.de

Atemlos über ein Feld hetzen, im Vorbeistürmen einen Schlag mit dem Schild abwehren, über eine heranzischende Kugel springen, einem oder einer Teamkamerad*in eine Warnung zurufen und sich mit der Beschützerin des Ziels duellieren: So etwas war früher nur in Ritterfilmen, beim Fantasyrollenspiel oder in Büchern wie Herr der Ringe möglich. Oder mit Stöcken im Wald, aber das haben Eltern gar nicht gern gesehen. So ein blaues Auge ist halt doof.

Damals war ich Grüppling im Stamm Schwarzes Schaf St. Theresia von der DPSG-Konkurrenz. Es wäre ein Traum für mich gewesen, die Nachbarn vom VCP für einen solchen Wettkampf herauszufordern. Da gab es aber nichts, also machte ich Sportfechten und Judo. Beides ist schon spannend, aber eben ohne Mannschaften. Und dann schleppte mich ein Freund in einen Berliner Park und zeigte mir Jugger.

Zwei Mannschaften treten wie im Fantasyfilm gegeneinander an  

Von Jugger war ich sofort total begeistert und bin es heute, 18 Jahre später, immer noch, genauso wie meine beiden Söhne. Im Jugger treten nämlich zwei Teams gegeneinander an und versuchen, den »Jugg« genannten Ball in das Tor, das »Mal«, der anderen zu bringen. Das machen sie aber nicht einfach mit Werfen oder Treten wie bei anderen Ballsportarten. Stattdessen hat jede*r ein Spielgerät. Das erinnert an ein zwei Meter langes Ohrenstäbchen, ein Langschwert, an einen Schild mit Kurzschwert oder an eine über drei Meter lange Kette mit einem Ball am Ende.

Damit fechten die Teams miteinander. Wer auch nur leicht berührt wird, muss für eine kurze Zeit vor Ort abknien, ehe er weiterspielen darf. Die Spielgeräte sind dick gepolstert – deswegen heißen die Spielgeräte auch »Pompfen«. Und es wird ohnehin so leicht und schnell wie möglich abgeschlagen. Treffer tun also nicht weh. Einer hat aber keine Pompfe in der Hand, und ausgerechnet diese*r Spieler*in ist die wichtigste Person für das Team: Sie allein kann einen Punkt machen, denn sie allein darf den Jugg tragen. Ein Fünf-Minuten-Video erklärt die Regeln kurz und knapp.

Alle können zusammen spielen, auch auf Turnieren

Das Tolle ist: »Spieler« oder »Jugger« bezieht sich entsprechend seiner ursprünglichen Bedeutung als Genus Commune nicht allein auf Jungs. So spielen selbst in ehrgeizigen Turniermannschaften im Jugger Mädchen, Jungen und Diverse zusammen. Inzwischen gibt es an fast jedem Wochenende ein Turnier mit zwei Dutzend und mehr Teams aus dem ganzen Land, an dem auch ihr teilnehmen könnt. Oft könnt ihr auch als »Söldner« bei bestehenden Teams mitspielen.

Fairness ist kein leeres Wort es geht nicht ohne

Aber wenn es so wichtig ist, ob wir leicht abgeschlagen wurden: Da könnten wir doch einfach so tun, als wären wir nicht getroffen worden, oder halt einfach früher aufstehen?

Stimmt, könntet ihr. Das Besondere am Jugger ist aber, dass Fairness und Ehrlichkeit nicht einfach leere Worte sind. Wer schummelt, fällt auf. Und wenn zu oft geschummelt wird, dann macht das Spiel keinen Spaß mehr und zerfällt. In vielen Sportarten ist Fairness etwas, auf das gern mal verzichtet wird, wenn Schiedsrichter nicht hinschauen. Mal ehrlich: Wer kennt das nicht vom Fußball oder aus anderen Sportarten? Im Jugger aber ist Fairness eine Grundvoraussetzung. Sie wird mit Spaß am Spiel belohnt. Ohne sie geht es einfach nicht. Und glaubt einem alten Juggeruhu: Es fällt auf, wenn jemand unfair ist.

… und basteln!

Aber nicht nur das Spiel macht Spaß. Ihr könnt auch die Spielgeräte mit Sachen aus dem Baumarkt selber bauen. Die eigene Pompfe zu verzieren, sie so leicht wie möglich zu machen, eben eure ganz eigene Pompfe zu haben, ist eine weitere Sache, die Jugger einzigartig macht.

Was braucht ihr?

Mit acht Leuten lässt sich Jugger bereits prima spielen. Aber auch weniger können schon Duelle oder Chaos-Varianten spielen. Für ein Spiel braucht ihr pro Mannschaft ein Spielgerät weniger, als ihr Spieler habt. Als Jugg eignet sich beispielsweise ein schaumstoffgefülltes Schlampermäppchen oder sogar einfach ein Schuh. Außerdem braucht Ihr ein Smartphone mit einer kostenlosen App, die euch die Zeit angibt, oder eine Trommel. Und nicht vergessen: »Spieler« können selbstverständlich Jungen, Mädchen und alle anderen sein!

Und dann gibt es ja in eurer Nähe bestimmt andere Pfadfinderstämme,  oder eine zweite Gruppe in euerem Stamm, gegen die ihr antreten und mit denen ihr jede Menge Spaß haben könnt.

Hier gibt es die Regeln als Kurzvideo in 5 Minuten, viele Trainingsvideos und Links zu aufregenden Turnierszenen.

Das aktuelle Regelwerk findet ihr hier!

Vereinfachte Regeln

Spielfeld: 20×40 m mit auf 5 m abgeschrägten Kanten

Volle Teamstärke: 4 Pompfer, 1 Läufer, max. 3 Auswechsler (alle Mädchen, Jungs, Diverse)

Pompfen: Q-Tip, Langpompfe, Kurzpompfe+Schild, 2 Kurzpompfen, Stab, Kette

Ungültige Trefferfläche: Kopf und Hände

Zeiteinheit: Trommeltakt, 1,5 Sekunden, genannt »Steine«

Abknie-Auszeit: Pompfentreffer: 5 Steine (=8 Sekunden), Kette: 8 Steine

Mal: Vulkanartiges Tor oder 30 cm-Kreis

Jugg: Darf nur vom Läufer getragen und ins Mal gesteckt / gelegt werden. Pompfer dürfen ihn nicht treten oder tragen

Ruben Wickenhäuser war Gruppenleiter und Stammesvorstand von Schwarzes Schaf St. Theresia Erlangen im DPSG, schrieb die ersten fünf Bücher über Jugger, führte Jugger in Schweden ein und ist Jugendtrainer. Ein Trainingsbuch mit umfangreichen Übungen erscheint demnächst im Zauberfeder-Verlag. Seine beiden Söhne sind begeisterte Juggerspieler und einer davon ist Grüppling im VCP Erlangen.

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