45 Minuten mit Kluft und Halstuch im Speisewagen

von Sören Bröcker

Langes Zugfahren macht etwas Besonderes mit dem Reisenden. Zeit und Raum werden auf eine ganz eigene Art und Weise erlebt. Am schönsten ist die Atmosphäre im Speisewagen.

Das, was man vom Zug aus betrachtet, wirkt so anders als wir es im Alltag wahrnehmen. Wenn man auf Schienen reist, sind die Eindrücke vielfältiger: Plötzlich nimmt man tolle Wandbilder oder die Architektur eines Gebäudes wahr, an dem man schon tausende Male vorbeigelaufen ist, ohne es auch nur eines Blickes zu würdigen. Man entdeckt versteckte Grünflächen in der Stadt oder sieht ein imposantes Wahrzeichen über allem aufragen und der Skyline seinen eigenen Zauber verleihen. Es ist viel interessanter Bahn zu fahren, als zum Beispiel in einem Flugzeug oder Auto zu sitzen, wo die Möglichkeiten einer Begegnung sich auf den Sitzplatz beschränken.

Ich sitze im tschechischen Bordrestaurant und dort gibt es Palatschinken! Wow, da muss ich gleich zuschlagen. Der Kellner Jako begrüßt mich ganz herzlich. Er empfiehlt mir zum Palatschinken noch eine heiße Schokolade zu nehmen. Nachdem der Zug Berlin Südkreuz verlassen hat, schaue ich aus dem Fenster und sehe, wie die lebendige Hauptstadt an mir vorüber zieht. In Berlin Hbf steigen viele Menschen in den Zug. Auch Eric aus Irland. Nachdem er mich in Kluft und Halstuch entdeckte, musste er sich sofort zu mir setzen, meinte er. Eric reist gerade mit seinem Interrail-Ticket durch Europa. Er ist auch bei den Pfadfindern und nach einem kurzen Smalltalk war klar, er war wie ich beim WSJ 2011 in Schweden. Bei Jako bestellt er sich einen Wrap. Nachdem der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hat unterhalten wir uns, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Schnell finden wir heraus, dass wir einen gemeinsamen Kumpel haben. Dáithí. Ihn habe ich auf dem Roverway 2016 in Frankreich kennengelernt.

Die Landschaft wird ländlicher. Die Sonne scheint so herrlich über die Felder. Da kommt ein weiterer Gast zu uns an den Tisch. Es ist Maria, sie hatte keinen Platz in den Abteilen gefunden. Sie ist Anfang 30 und halb Italienerin, halb Schwedin. In Berlin hat sie ihren Freund besucht und fährt nun wieder zurück nach Hamburg, wo sie lebt und arbeitet.

Wir drei sind uns sehr schnell sympathisch und unterhalten uns über Gott und die Welt. Ich erzähle, dass ich mal mit der Maus aus „Die Sendung mit der Maus“ im Speisewagen von Kassel nach Hamburg gefahren bin. Maria kennt die Maus schon, Eric muss ich erst ein Foto zeigen.

Ich glaube, es gibt einen Grund, warum ich am Reisen auf Schienen so viel Freude habe. In den Zügen treffe ich -vor allem wenn ich in Kluft reise- interessante Menschen aus aller Welt und habe genug Ruhe und Zeit für ein anregendes Gespräch.

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