Ein Theaterstück über Identität und Migration: „Im Menschen muss alles herrlich sein“

Foto: Krafft Angerer

von Rebecca Haugwitz

Bei unserem letzten Redaktionstreffen in Hamburg hatten wir das Vergnügen, das Theaterstück „Im Menschen muss alles herrlich sein“ zu besuchen. Hinter diesem Titel verbirgt sich eine Inszenierung des gleichnamigen Romans von Sasha Marianna Salzmann, eine bewegende Geschichte über Identität, Migration und die Herausforderungen, die damit einhergehen.

Es geht um Edi, eine angehende Journalistin in Berlin, die aus der Ukraine stammt, aber nie genau verstanden hat, was es eigentlich bedeutet, Ukrainerin zu sein. Ihre Mutter Lena verließ mit ihr in den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Ukraine und landete in Jena, Deutschland. Sie musste in der Nachwendezeit in Deutschland ganz von vorne anfangen, und das, obwohl sie vorher Ärztin gewesen war. Ähnlich ging es Tatjana, die ursprünglich Tänzerin war und mit ihrer Tochter Nina mittellos in Deutschland strandete. Lenas Nummer war die einzige, die sie kannte – und so wurden sie beste Freundinnen, verbunden durch ihre Geschichten. Ihre Töchter verstehen von alldem nicht viel, denn so richtig geredet wird über die Vergangenheit nicht.

Im Jahr 2017 beschließt dann Lena, alle zusammenzubringen, um ihren 50. Geburtstag zu feiern. Dies führt zu einer tiefgreifenden Identitätssuche der Töchter, die endlich verstehen wollen, warum sie alle so sind, wie sie sind. Während Edi nur widerstrebend beginnt, Fragen zu stellen, hat Nina bereits jeden Kontakt abgebrochen. Doch der Großvater, der aus dem umkämpften Donbass stammt, begibt sich auf den gefährlichen Weg nach Jena. Und wenn er es schafft, dann die beiden doch wohl auch.

Das Stück könnte aktueller kaum sein. Es beleuchtet, wie das Leben von Menschen von der Geschichte überrollt wurde. Wie unfair es sein kann. Und trotzdem kommt man nicht total erdrückt aus dem Theatersaal. Ich zumindest habe mich vor allem bereichert gefühlt. Das lag auch an den Schauspieler*innen, die unglaublich authentisch gespielt haben. Und an der Musik (u.a. auch Lieder, von den Schauspieler*innen gesungen) und dem Bühnenbild (ein Haufen Möbel und eine Leinwand, auf der ein bewegter Hintergrund zu sehen war), die so richtig mit dem Stück verschmolzen sind.

„Im Menschen muss alles herrlich sein“ hat mich dazu angeregt, mich mehr mit migrantischen und auch postmigrantischen Biografien auseinanderzusetzen, um die Menschen um mich herum etwas besser zu verstehen. Es ist definitiv ein Theaterstück, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Thalia Theater Hamburg

von Sasha Marianna Salzmann / Bühnenfassung von Sasha Marianna Salzmann / In einer Bearbeitung von Hakan Savaş Mican/ Regie Hakan Savaş Mican

Uraufführung 27. Oktober 2022, Thalia Gauß – Achtung! Wird nicht mehr lange gespielt!

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