Es gibt Grenzen

von Fabienne Schwartz

Warum schützt man die Grenzen der Staaten so gut und die Grenzen der Menschen so schlecht?

Es gibt zwei Schlangen am Flughafen. Die lange für alle und die kurze für die anderen. Die anderen sind Deutsche, die mit dem einen, dem wohl mächtigsten Pass (fast) überall schnell und sicher einreisen. Der Pass in meiner Hand ist so rot wie das Stufen-Halstuch für Ranger*Rover im VCP. Ich stelle mich also in die Reihe der anderen. Nur dunkel erinnere ich mich an die Zeit, in der man am Grenzübergang auf der Autobahn nach Frankreich den Kinderpass bereithalten musste. Gibt es für mich keine Grenzen mehr? Oder bin ich nur weniger gefährlich geworden?

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel verschweigen.

Unterwegs zu sein ist ein wichtiger Teil unseres Pfadfinderlebens. Ob zu Fuß auf Stammesfahrt, im Zug zur nächsten Schulung oder im Flugzeug zur Weltkonferenz: als Pfadfinder*innen aus Deutschland sind wir selbstverständlich Weltenbürger*innen, die für Gerechtigkeit und Frieden eintreten. Manchmal schweigen wir gegenüber den Menschen, die nicht unterwegs sind (oder sein können), weil es einfacher ist oder schlauer oder wir nicht wissen, was wir sagen sollen. Was nützt es denn, etwas zu sagen? Niemand hindert uns am unterwegs sein. Und das, was die anderen Menschen davon abhält, unterwegs zu sein – das kann ich nicht beeinflussen, da sind auch mir Grenzen gesetzt.

Ich habe Wasser zum Trinken und Freunde zum Sehn, einen Plan für heute, einen Plan für danach und wenn ich will kann ich rausgehn. Dorothea Kehr, Mascha Kaléko

Die Welt verändern. Das ist so unkonkret. Dabei ist es einfacher als gedacht: Ich habe doch alles, was es braucht. Wenn ich mich in meiner Schlange schlecht fühle, dann weiß ich, dass ich teilen möchte. Und dann fange ich damit an. Bei mir zu Hause, in meiner Pfadigruppe, auf dem Lager, in der Nachbarschaft. Auf der Gremiensitzung, im Zug, in der Politik, weltweit. Haltung inspiriert. Und wenn unsere Meinung gefragt ist, dann können wir den Fakt nutzen, dass uns als Pfadfinder*innen aus Deutschland alles gegeben wurde, damit Menschen uns zuhören. Deshalb können wir anderen eine Stimme geben, die nicht gefragt wurden. Wir sind durch Zufall Deutsche, durch Zufall in diese mächtige Position gekommen. Was machen wir damit?

Ich bin Pfadfinder*in und deshalb ist es mir wichtig, meine Macht zu teilen. Allerdings nicht meine Gummibärchen. Es gibt Grenzen.

 

Die kursiven Überschriften basieren auf Texten der Liedermacherin Dorothea Kehr und Dichterin Mascha Kaléko.
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