Der geile Bock ist der Teufel!

Der geile Bock ist ein Teufel

von Esther Koch

anp Redaktion. Brainstorming zum Titelthema „Bock“: „Das macht den Bock nicht fett“. „Sündenbock“. „Den Bock zum Gärtner machen“. Die ersten Schlagworte fallen schnell. „Bockwurst“. Gelächter. „Der geile Bock“. Der geile Bock? Das ist zu derb – oder? Die Verbandszeitschrift eines Jugendverbandes darf aber auch mal provokant. Also warum nicht: Der geile Bock!

Aber was dazu schreiben?
Die Redenswendung ist derb und provokant. In dem Ausruf: „Boa, dieser geile Sack“ steckt auch Anerkennung. Hingegen schwingt in Formulierungen wie: „Dieser alte geile Bock!“ negatives und Abwertendes mit. In den Satz: „Der geile Bock konnte wieder seine Finger nicht bei sich behalten“ wird eine sexuelle Übergriffigkeit angezeigt. Woher kommt die Redenswendung also? Und was steckt dahinter?

Hierfür muss man weit in die (Kultur-)Geschichte zurückgehen.
Die Ziege und der Ziegenbock, so lernen wir, ist mit Ausnahme von Arktis und Antarktis, weltweit verbreitet. Als Nutztiere sind Ziegen sehr beliebt, weil sie sehr anspruchslos sind und gute Milch geben. (Letzteres nur die Ziege, nicht der Bock.) Ihre bevorzugte Nahrung, Gras und Kräuter rupfen sie gerne samt Wurzel aus, weshalb sie häufig eine Spur der Verwüstung hinterlassen.

Wegen ihrer Zerstörungswut und weil die Ziege laut alttestamentarischer Überlieferung als „unreines“ Tier galt, wurde der Ziegenbock in der Vorstellungswelt vieler Menschen zum Teufelstier.
Aus der griechischen Mythologie kennen wir den Hirtengott Pan. Ein bocksbeiniger Teufel mit Hörnern, Schwanz und Pferdefuß. Pan – ursprünglich ein Fruchtbarkeitsgott – schließlich gilt der Ziegenbock in verschiedenen Kulturkreisen als Symbol für große männliche Potenz – ist stets hinter schönen Mädchen oder Jünglingen her. Ein echt geiler Bock eben.

Auch auf mittelalterlichen Abbildungen unseres Kulturkreises findet sich der Teufel mit Ziegenhörnen, Ziegenbeinen und Ziegenhufen, der Menschen – Frauen wie Männern – sexuell nachstellt. Man glaubte, der Teufel könne zum trügerischen Schein wahlweise den Körper eines Mannes oder einer Frau annehmen, um mit einem Menschen den Geschlechtsakt zu vollziehen und sich dadurch seiner Seele zu bemächtigen. Das klingt für den Menschen wenig lustvoll. Nach heutigen Maßstäben würde man dies als klaren Übergriff gegen die sexuelle Selbstbestimmung werten. Ein Übergriff, der nicht nur die persönlichen körperlichen Grenzen verletzt, sondern auch die Seele.

Jemanden einen geilen Bock nennen, heißt also jemanden einen Teufel nennen. Böse, durchtrieben und gewalttätig. Mit Sicherheit kein Kompliment.

Umso größer das Erstaunen bei den Recherchen zu dem Begriff, dass man(n) sich T-Shirts mit dem Aufdruck „Geiler Bock!“ kaufen kann. Wer trägt dieses T-Shirt mit stolz?
Wie oben bereits angedeutet, wird unter dem geilen Bock auch der Mann verstanden, der Erfolg bei den Frauen hat. Oder wie es öfter formuliert wird: der jede Frau rumkriegt.

Diese Formulierung wiederum enttarnt ein überholtes Verständnis von Geschlechterrollen. In dem davon ausgegangen wird, das es in der Beziehung vorrangig um die Erfüllung des sexuellen Bedürfnisses des Mannes geht und die der Frau vernachlässigt werden kann. Selbstbestimmte weibliche Sexualität und ein gleichberechtigtes, respektvolles Miteinander unter den Geschlechtern ist eben nicht des Teufels Anliegen.

Am Ende steht kein anp-Artikel, aber die Erkenntnis, wie der Teufel als „geiler Bock“ den Weg in unsere Alltagssprache gefunden hat – und dass wir ihm wieder den Weg rausweisen sollten.

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