Gründung des VCP – warum und wieso?

von Max Zeterberg

Am 1.1.1973 war es soweit: Der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) existierte nun offiziell. Hervorgegangen ist der VCP aus der Fusion des Bunds Christlicher Pfadfinderinnen (BCP), des Evangelischen Mädchenpfadfinderbunds (EMP) und der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands (CPD). Drei evangelischen Pfadfinder*innenbünde vereinigten sich – aber warum eigentlich? Wieso erschien es den evangelischen Pfadis Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre an der Zeit, einen neuen Verband zu gründen?

Eine Ursache war, dass sich die bundesrepublikanische Gesellschaft in den 1960er-Jahren tiefgreifend wandelte, wobei die Proteste um 1968 Höhepunkt und Katalysator des Wandels waren. Das sogenannte Wirtschaftswunder ebbte ab, traditionelle Bindungen verloren an Kraft, insbesondere junge Menschen probierten neue Lebensformen aus, stellten unbequeme Fragen – beispielsweise über die Schuld am Nationalsozialismus – und politisierten das Private. Gleichzeitig veränderten sich die Umstände, unter denen Jugendliche und junge Erwachsene aufwuchsen: Parallel zur Politisierung fand eine Kommerzialisierung der Jugendzeit statt. Beide Entwicklungen machten den traditionellen Jugendverbänden zu schaffen: Mit der neu entstehenden Freizeitindustrie erwuchs den Verbänden eine mächtige Konkurrenz, während sie gleichzeitig mit ihrem bündisch geprägten, gesellschaftsabgewandten Programm den politischen Ansprüchen der Jugendlichen nicht mehr genügten. Das traditionelle Programm der evangelischen Pfadfinder*innenbünde erschien Vielen Ende der 1960er-Jahre als veraltet und langweilig.

Dieser gesellschaftliche Wandel beeinflusste zudem die Debatten über Kinder- und Jugendarbeit, denen sich auch die evangelischen Pfadfinder*innenbünde nicht entziehen konnten. Die Verbände des Deutschen Bundesjugendrings diskutierten seit Anfang der 1960er ihr Selbstverständnis. Neuen Schwung bekam die Debatte, als ab 1963 Pädagogen die vorherrschende Kinder- und Jugendarbeit kritisierten. Aus dieser Kritik entwickelten sie Theorien der Jugendarbeit: Die Konzepte der progressiven, emanzipatorischen und antikapitalistischen Jugendarbeit. Besonders die evangelische Jugend nahm diese Theorien als Impulse auf, wenn auch nicht immer positiv. Für den Gründungsprozess des VCP waren sie jedenfalls entscheidend, wie das Programm einer Arbeitstagung von 1971 zeigt. Dort diskutierten Mitglieder aus BCP, CPD und EMP Konzepte der emanzipatorischen Jugendarbeit, die „gesellschaftskritische Funktion der Jugendarbeit hinsichtlich der Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem“ und die „schichtspezifische[n] Faktoren für die Ausrichtung der evangelischen Jugendarbeit“.

Ein dritter Grund waren die internen Probleme der drei Pfadfinder*innenbünde. Sie alle hatten mit Stagnation und Rückgang der Mitgliederzahlen zu kämpfen und befanden sich nach dem ersten echten Generationswechsel auf Leitungsebene nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Phase der Selbstreflexion. Besonders in der CPD herrschte viel Unmut unter den jüngeren Führern, die die Strukturen der CPD als hierarchisch und undemokratisch und das Programm als konservativ und einengend wahrnahmen. Die neue Leitungsgeneration rief nach Veränderungen und setzte diese um. Der Beschluss von 1969, nun auch offiziell Mädchen und Frauen in die CPD aufzunehmen, zwang die Mädchenbünde, sich auf eine engere Zusammenarbeit mit der CPD einzulassen.

Ab da ging es ganz schnell: Bereits im selben Jahr schlossen sich CPD und EMP in Württemberg zusammen, der BCP und die bayerische CPD folgten 1971. Auf Bundesebene bildeten die drei Bünde 1970 eine gemeinsame Arbeitsgemeinschaft, um den Zusammenschluss voranzutreiben. Auf der genannten Arbeitstagung wurde die Fusion inhaltlich vorbereitet und im Mai 1972 beschlossen EMP und CPD die Vereinigung zum VCP zum Jahreswechsel 1972/73.

Die Proteste von 1968, Liberalisierung und Politisierung sowie die neuen Theorien der Jugendarbeit wirkten als wichtige Impulse in den Fusionsprozess. Aber beeinflussten vielleicht noch mehr Faktoren die Entstehung des VCP? Wart ihr selbst dabei und habt es ganz anders erlebt? Oder gibt es eine spannende Geschichte aus eurem damaligen Stamm aus der Zeit zu erzählen? Oder seid ihr seid selbst viel jünger, aber euren Stamm gibt es schon länger als den VCP? Macht ein kleines Geschichtsprojekt und recherchiert über die Zeit zwischen 1965 und 1975. In allen drei Fällen – meldet euch, damit wir Geschichten und Geschichte veröffentlichen und dokumentieren können.

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Literatur zum Weiterlesen

  • Ulrich Bauer u.a. (Hg.), 15 Jahre VCP. Eine Rückschau auf die Entwicklung des VCP von 1973 bis 1988, Kassel 1989
  • Ulrich Bauer u.a. (Hg.), Kreuz und Lilie. Christliche Pfadfinder in Deutschland von 1909 bis 1972, Berlin 2013
  • Hedwig Döbereiner, Feuer und Altar. Der Bund Christlicher Pfadfinderinnen 1922–1972, Kassel 2003
  • Martin Faltermaier (Hg.), Nachdenken über Jugendarbeit. Zwischen den fünfziger und achtziger Jahren; eine kommentierte Dokumentation mit Beiträgen aus der Zeitschrift „deutsche jugend“, München 1983
  • Christine Kunze u.a., Die Geschichte des Evangelischen Mädchen-Pfadfinderbundes EMP. Eine Dokumentation, Kassel 1993
  • C. Wolfgang Müller u.a. (Hg.), Was ist Jugendarbeit? Vier Versuche zu einer Theorie, München 1964
  • Ulrich Schwab (Hg.), Vom Wiederaufbau zur Wiedervereinigung. Evangelische Jugend in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1995, Hannover 2003

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