Die beste Zeit ist jetzt – Die Ranger*Rover im VCP

Foto: Sören Bröcker

von Sören Bröcker

Ich kann mich noch sehr gut an meine Zeit in der R*R-Stufe erinnern. Es war für mich eine großartige Erfahrung, ein toller Lebensabschnitt. Gruppenleitung, Gremienarbeit, den eigenen Weg finden und mit vielen gleichaltrigen erste internationale Pfadiluft auf dem Roverway schnuppern. Die Fülle an Möglichkeiten in der Pfadiwelt lag mir plötzlich zu Füßen.

Den Beginn zum Eintritt in die R*R-Stufe bildet oft eine Aufnahme, die von verschiedensten Wegpunkten gesäumt ist. In meinem Stamm beginnt es immer abenteuerlich:

Es ist Freitagnachmittag, ich sitze mit verbunden Augen in einem schaukelnden Auto. Wir fahren mal nach links, biegen rechts ab und dann geht es wieder ein längeres Stück gerade aus. Ich habe meinen Pfadirucksack gepackt und habe alles dabei, was ich für 2 Nächte zum Überleben benötige. Karte, Kompass, Isomatte, Schlafsack, Kohtenbahn und etwas zu trinken. Wie ich bald merken werde, das Wichtigste ist nicht in meinem Rucksack, sondern sitzt neben mir. Mein Mitsippling und ich werden uns in den kommenden 48h ganz besonders brauchen. Denn wir sind auf dem Weg zu unserer Aufnahme in die R*R Stufe.

Ich merke, das Auto wird langsamer, meine Gruppenleitungen beraten sich und sprechen davon, dass hier ein guter Ort sei. Wir werden rausgelassen – die Augen weiterhin verbunden – ich merke, wie mir die Sonne entgegen scheint und ein leichter Wind um die Nase weht. Ich höre, wich sich das Auto entfernt, ein Kuckuck ruft, Grillen zirpen. Nachdem wir die Halstücher von unseren Augen genommen haben, merken wir, wir sind allein – ausgesetzt in der Wildnis.

Von nun an sind wir auf uns gestellt. Mit dabei unsere einzige Aufgabe, bis Sonntagmittag auf dem auf der Karte angegeben Lagerplatz einzutreffen. Unterwegs gibt es verschiedenste Aufgaben zu erledigen, aber zunächst einmal müssen wir uns orientieren. – Ich bin ganz begeistert, endlich können wir unsere erlernten Pfadiskills anwenden. Wir sind an einem Waldrand, der Wind hat die Bäume alle leicht in eine Richtung gebogen. Ich weiß, dass im Norden die Hauptwindrichtung aus dem Westen kommt – also neigen sich die Bäume in den Osten. Das Moos an den Bäumen bestätigt die Annahme, denn es wächst an der nördlichen Seite der Bäume. Schnell entdecke ich einen Kirchturm am Horizont, davor ein Fluss. Beim Blick auf die Karte erahne ich bereits meinen Standort.
Auf der Karte finde ich mich schnell zurecht und entdecke spannende Orte. Wie schauts aus, gehe ich einfach zu nächsten Bushaltestelle und fahre zum Ziel ohne Anstrengungen? Möchte ich einen Umweg gehen, um noch am einladenden Badesee vorbeizukommen? Oder laufe ich einfach gerade aus, immer 48° auf dem Kompass, komme was wolle?
Gemeinsam mit meinem Mitsippling beraten wir uns. Tatsächlich sind wir nicht einer Meinung, wo es lang gehen soll. „Ich will unbedingt an einem Supermarkt vorbeikommen und ’ne Tafel Schoki kaufen“ – und ich möchte lieber am Badesee vorbei – beides lässt sich schwer kombinieren. Es zeigt sich, wir beide haben unterschiedliche Vorstellungen vom Weg, obwohl wir zum gleichen Ziel möchten. Schlussendlich entscheidet bei uns ein Kompromiss – unseren Konsens. Denn dass wir getrennte Wege laufen, stand für uns nie zur Debatte. Wir laufen an einem kleinen Bauernhof vorbei, bei dem wir frische Eier kaufen und im theoretisch im Garten zelten können.

Wir laufen los, und sehen links und rechts des Weges herrlich blühende Korn- und Mohnblumen. Hach, die Blumen meines Herzens – ich wünschte nur, ich könnte sie mit mir nehmen. Doch dann war mir schnell wieder klar, dass sie doch auch vielen anderen Freude bereiten kann, wenn ich sie stehen lassen würde. Ich habe auch eine Verantwortung für die Natur und meine Mitmenschen. So wanderten auf Wegen nach Süden durch Wälder und Täler. Rechts und links des Weges auf dem wir uns unserem Ziele zu ziehen sahen wir Schafe, Bäche und einzelne Bauernhöfe, herrlich schöne Eichen und das eine oder andere Mal trafen wir Menschen, mit denen wir freundlich plauderten.
Gerade als die Dämmerung kam, wollten wir noch fix auf einem Bauernhof unser Trinkwasser auffüllen, ehe wir uns einen Schlafplatz suchen wollten. Herzlich wurden wir empfangen und unsere Trinkflaschen aufgefüllt. Schnell verwickelten wir uns in ein Gespräch und erfuhren, dass wir bei alten Pfadis zu Hause waren. Nach kurzer Zeit wurden wir eingeladen, doch die ganze Nacht zu bleiben und gemeinsam Abendbrot zu essen und am Feuer die Klampfe schwingen zu lassen.
Ach Freund*innen, ich wünschte, ihr hättet gesehen, was wir erlebten – vor kurzem waren wir noch fremde Menschen und nun sind wir wie Freunde. Hach, wie ist es schön zu sehen, was einfache Begegnungen mit Menschen so mit sich bringen. Wir plauderten noch lange, sangen Lieder von Fahrten und Abenteuer und der Sehnsucht nach dem Unterwegssein. Dies war einer der Abende, der nie vergehen sollte – doch mit der Zeit wurden wir müder und wollten weiterziehen, da wurden wir kurzerhand eingeladen, auf dem Heuboden des alten Stalls zu übernachten. Oh, was das herrlich und wunderschön. Durch das alte Dach sah man vereinzelt die Sterne funkeln und der Mond schien hell. – Wir hatten mehr als eine 5 Sterne Unterkunft. #premium

Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns noch herzlich von unseren Gastgeber:innen und zogen weiter des Weges. Unserer Karte nach hatten wir das Ziel fast erreicht, da wir aber noch nicht ankommen wollten, machen wir einen kleinen Umweg, auf den kleinen Hügel, der auf unserer Karte eingezeichnet war. Oben angekommen genossen wir die Aussicht, den Weitblick und waren mächtig stolz. Mit gerade einmal 16 Jahren hatten wir in so wenigen Stunden große Abenteuer erlebt. Wildbaden, Heuboden, Lagerfeuer, Fremde, die zu Freund*innen wurden, Orientierung, Verantwortung, Wache und Zusammenhalt. #vcpseidank

Nach ca. 2h kamen wir dann auch an unserem Lagerplatz an, wo unsere Gruppenleitungen schon auf uns warteten. Auch die anderen Mitsipplinge trudelten nach und nach ein – jede*r hatte eine eigene Geschichte dabei, wie der Weg zum Ziel gemeistert wurde und was man alles für spannende Erlebnisse zu teilen hat. Den Abend verbrachten wir mit unserer Pfadisippe gemeinsam, ehe wir in einer feierlichen Zeremonie in die R*R-Stufe aufgenommen wurden. Wie die Aufnahme ablief, ist eine andere Geschichte – auch eine sehr private. Die erzähle ich gerne auf einer nächsten Fahrt oder wenn wir gemeinsam am Lagerfeuer sitzen. So wahr‘ ich die Erinnerung’n an diese schönen Tage, Wälder und Täler in mir, so dass ich vielleicht ja eines schönen Tages wieder hier sein werde.

Viele Grüße und Gut Pfad
Sören

Meinen Standort bestimmen, meinen Kompass ausrichten, meine Ziele erkennen. Die R*R-Stufe bietet neben großen und kleinen Abenteuern auch viele Gelegenheiten, um sich selbst zu entwickeln, Verantwortung für sich, den Stamm und die Mitmenschen zu übernehmen, kreativ zu werden, neue Dinge auszuprobieren und mit Freude den eigenen Weg durchs Leben zu finden. Der VCP unterstützt mich dabei und ich unterstütze den VCP sich weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit vielen R*Rs sind wir wie eine große Familie. Wir stellen uns die gleichen Fragen, finden unterschiedliche Antworten, lachen und weinen.

Die R*R-Stufe – jetzt ist die Zeit, Dinge zu verstehen, Dinge anders zu sehen, jetzt ist die Zeit Verantwortung zu übernehmen.

R*R-Stufe – kurz und knapp Der Pfadfinder*innenstufe entwachsen, kommt man in die Ranger*Rover-Stufe (R*R-Stufe). Jugendliche in dieser Stufe sind mit vielen Fragen der Lebensplanung beschäftigt: Fragen zur eigenen Identität, Politik und Gesellschaft, Religion, Beruf sowie Beziehung und Sexualität. Eigene Methoden, Arbeitsformen und Programme werden ausprobiert: Es ist an der Zeit, eigene Projekte zu verwirklichen, Aktionen zu planen und durchzuführen. Auch können Pfadfinderinnen ab diesem Alter als Gruppenleitung tätig werden. Im VCP gibt es Materialien zur R*R-Stufe, die dir aufzeigen, welch großartige Möglichkeiten auf dich warten!

https://www.vcp.de/pfadfinden/allgemein/materialien-fuer-die-rangerrover-stufe

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