Rieneck, Ritter & Rabauken

Panorama Burg RieneckFoto: Rica Rösner

von Rica Rösner

In der Luft liegt der Geruch von Lagerfeuer. Von unten dröhnen die lauten Stimmen der Ritter hinauf. Sie grölen und feiern. Trinken Met. Erzählen sich Geschichten von vergangenen Schlachten. Die eine mag Kunigunde besonders gern: Die Geschichte von den Mainzern. Manchmal schleicht sie sich auf die Soldatenebene und lässt den Mann mit dem grauen Bart und der tiefen Stimme erzählen:

„Wisst Ihr, Kunigunde“, beginnt er mit einem wissenden Lächeln, „Die Burg Eures Vaters ist ein wichtiger Handelspunkt,wie ein sicherer Hafen auf der Birkenhainer Straße*. Denn dort treiben die Spessarträuber ihr Unwesen …“

Bei der Erwähnung der Räuber läuft Kunigunde jedes Mal ein Schaudern über den Rücken. Grausige Geschichten sind im Umlauf: Kaufleute werden überfallen, Kinder und Frauen entführt, Tiere gestohlen … „Doch um die geht es heute nicht“, reißt der Mann mit dem grauen Bart sie aus ihren düsteren Gedanken.

„Denn heute will ich Euch von den Mainzern erzählen. Burg Rieneck ist den Mainzern schon lange ein Dorn im Auge. Sie wollten die Macht über unser Gebiet haben. Also kamen sie mit ihrer Armee und waren in der Überzahl!“ Wieder schaltet sich Kunigundes blühende Fantasie ein: Tausende von Soldaten vor ihrem Bergfried, mit Schwertern, Armbrüsten und Katapulten.

Der Weg nach Rieneck völlig verwüstet, überall ist Rauch. „Wir waren im Nachteil“, gesteht der Mann mit dem grauen Bart, „denn wir waren nicht auf einen groß angelegten Angriff vorbereitet. So dick die Mauern unseres Bergfrieds auch sein mögen, so dünn war doch unser Lebensmittelvorrat. Doch wir schlugen uns wacker, kämpften bis zum letzten Mann und schlugen jeden Angriff zurück …“ Bei diesem Teil der Geschichte wird der Mann immer etwas blass – ob er wohl einen Kameraden verloren hat? Kunigunde traut sich nicht zu fragen, zu groß ist der Schmerz in der Luft.

„Es wurde eine lange Belagerung – und unsere Vorräte waren beinahe aufgebraucht“, fährt er nach einem Seufzen fort. „Am Ende hatten wir nur noch eine Kuh und einen Schinken …“ Ein Lächeln stiehlt sich auf das Gesicht des Mannes: „Aber ein einfacher Knecht hatte einen guten ausgefuchsten Plan, um die Mainzer hinters Licht zu führen …“

„Wir steckten den Schinken an einer Stange auf die Mauer und ließen auch die Kuh dort spazieren. Dazu verkündete der Junge mit lauter Stimme: ‚So wenig die Kuh den Schinken frisst, so wenig Burg Rieneck Euer ist!‘

Nun, das zeigte Wirkung: Denn die Mainzer hatten selbst weder Schinken noch Kühe und waren erstaunt und schockiert, wie wir mit unseren Lebensmitteln prahlen konnten, dass wir selbst der Kuh den guten Schinken geben konnten. Und dann zogen sie von dannen, mit unserem Spott in den Ohren.“

Hier kann Kunigunde sich ein Lachen nicht verkneifen. Manchmal sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen … Doch voller Stolz kann sie bis heute sagen: Burg Rieneck wurde viele, viele Male angegriffen, aber nie erobert.

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