Wie und warum der Urwaldarzt Albert Schweitzer in den Urwald kam

Foto: anp

von Andreas Witt

Zahlreiche Schulen und auch sechs VCP-Stämme sind nach Albert Schweitzer benannt. Doch wer war dieser Albert Schweitzer? Und wie kam er in den Urwald?

Albert Schweitzer war unbestritten ein Multitalent: Theologe, Philosoph, virtuoser Orgelspieler, Aktivist gegen Atomwaffen und Friedensnobelpreisträger – aber vor allem: Urwalddoktor im Urwaldkrankenhaus Lambarene. Zu Albert Schweitzer und seinem vielfältigen Lebenswerk ließe sich mühelos eine ganze anp gestalten! Daher lassen wir in diesem Artikel schlaglichtartig Albert Schweitzer in Zitaten selbst davon erzählen, wie und warum er in den Urwald kam und wie der Urwald ihn geprägt hat!

Warum ist Albert Schweitzer in den Urwald gegangen?

Während seiner Studienzeit fasste Albert Schweitzer einen weitreichenden Entschluss:

„An einem strahlenden Sommermorgen, als ich – es war im Jahre 1896 – in Pfingstferien zu Günsbach erwachte, überfiel mich der Gedanke, dass ich dieses Glück nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen dürfe, sondern etwas dafür geben müsse. Indem ich mich mit ihm auseinandersetzte, wurde ich, bevor ich aufstand, in ruhigem Überlegen, während draußen die Vögel sangen, mit mir selber dahin eins, dass ich mich bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr für berechtigt halten wollte, der Wissenschaft und der Kunst zu leben, um mich von da an einem unmittelbaren menschlichen Dienen zu weihen. Gar viel hatte mich beschäftigt, welche Bedeutung dem Worte Jesu, ‚Wer sein Leben will behalten, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird es behalten‘, für mich zukomme. Jetzt war sie gefunden. Zu dem äußeren Glücke besaß ich nun das innerliche. – Welcher Art das für später geplante Wirken sein würde, war mir damals noch nicht klar.“1

8 Jahre später wusste Albert Schweitzer – er war inzwischen Professor für Theologie geworden – dann, wohin es gehen sollte:

„Eines Morgens, im Herbst 1904, fand ich auf meinem Schreibtisch im Thomasstift eines der grünen Hefte, in denen die Pariser Missionsgesellschaft allmonatlich über ihre Tätigkeit berichtete. (…) Da fiel mein Blick auf einen Artikel mit der Überschrift ‚Les besoins de la Mission du Congo‘ (Was der Kongomission not tut). Er (…) enthielt die Klage, dass es der Mission an Leuten fehle, um ihr Werk in Gabun, der nördlichen Provinz der Kongokolonie, zu betreiben. (…) Der Schluss lautete: ‚Menschen, die auf den Wink des Meisters einfach mit: Herr, ich mache mich auf den Weg, antworten, dieser bedarf die Kirche.‘

Als ich mit dem Lesen fertig war, nahm ich ruhig meine Arbeit vor. Das Suchen hatte ein Ende.“1

Anschließend studierte Albert Schweitzer Medizin, um als Arzt in den Urwald zu gehen.

Wie erlebte Albert Schweitzer den Urwald?

Seinen ersten Eindruck vom Urwald schildert Albert Schweitzer so:

„Wasser und Urwald … ! Wer vermöchte diese Eindrücke wiederzugeben. Es ist uns, als ob wir träumten. Vorsintflutliche Landschaften, die wir als Phantasiezeichnungen irgendwo gesehen, werden lebendig. Man kann nicht unterscheiden, wo der Strom aufhört und das Land anfängt. Ein gewaltiges Filzwerk von Wurzeln, von blühenden Lianen überkleidet, baut sich in den Fluss hinein. Palmstauden, Palmbäume, dazwischen Laubhölzer mit grünendem Gezweig und mächtigen Blättern, vereinzelte hochragende fichtenartige Bäume dazwischen, weite Felder übermannshoher Papyrusstauden mit großen fächerartigen Blättern, in dem üppigen Grün erstorbene Bäume vermodert zum Himmel emporragend. … Aus jeder Lichtung blitzen Wasserspiegel entgegen; an jeder Biegung tun sich neue Flußarme auf. Ein Reiher fliegt schwerfällig auf und lässt sich auf einem erstorbenen Baume nieder; weiße und blaue Vögelchen schweben über dem Wasser; in der Höhe kreist ein Fischadlerpaar. Da, ein Irrtum ist unmöglich, vom Palmbaum hängt’s herunter und bewegt sich: zwei Affenschwänze! Nun werden auch die dazugehörigen Besitzer sichtbar. Jetzt ist’s wirklich Afrika.“²

Wie lautet Schweitzers Lebensmotto?

Schweitzers Lebenswerk war das Urwaldhospital in Lambarene. Sein Leben war geprägt von der Arbeit als Arzt hier im Urwald – eine aufopfernde Tätigkeit mit eingeschränkten, medizinischen Behandlungsmöglichkeiten für viele, oftmals schwer erkrankte, Patient*innen.

Sein Lebensmotto fand Schweitzer während einer längeren Bootsfahrt in Afrika: „Langsam krochen wir den Strom hinauf, uns mühsam zwischen den Sandbänken – es war trockene Jahreszeit – hindurchtastend. Geistesabwesend saß ich auf dem Deck des Schleppkahnes, um den elementaren und universellen Begriff des Ethischen ringend, den ich in keiner Philosophie gefunden hatte. Blatt um Blatt beschrieb ich mit unzusammenhängenden Sätzen, nur um auf das Problem konzentriert zu bleiben. Am Abend des dritten Tages, als wir bei Sonnenuntergang gerade durch eine Herde Nilpferde hindurchführen, stand urplötzlich, von mir nicht geahnt und nicht gesucht, das Wort ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ vor mir. (…)

Der große Fehler aller bisherigen Ethik ist, dass sie es nur mit dem Verhalten des Menschen zum Menschen zu tun zu haben glaubte. In Wirklichkeit aber handelt es sich darum, wie er sich zur Welt und allem Leben, das in seinen Bereich tritt, verhält. Ethisch ist er nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, heilig ist und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. (…) Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben bezeichnet werden kann.“³

Fazit: Der Urwald hat das Leben, Denken und Handeln von Albert Schweitzer maßgeblich geprägt – und sein aktiv und konsequent gelebter christlicher Glaube besitzt eine zeitlose Faszination. So sagte Albert Schweitzer 1960 in einer Spiegel-Reportage: „Niemand, der mich nicht in Afrika erlebt hat, kennt mich.“ Und der Journalist Claus Jacobi kommentiert: „Wer ihn in Afrika erlebt, ist von seiner Ausstrahlung benommen.“ Und an anderer Stelle schreibt Jacobi: „Er sieht aus wie ein naher Verwandter des lieben Gottes.“4

Anmerkungen:

(1) Zitiert nach: Das Albert Schweitzer Lesebuch, München 20115, S. 90f. und S. 93f.

(2) Zitiert nach: Das Albert Schweitzer Lesebuch, München 20115, S. 131.

(3) Zitiert nach: Das Albert Schweitzer Lesebuch, München 20115, S. 172ff..

(4) Claus Jacobi in: „Der Spiegel“ 57/1960..

Die Rechtschreibung der Zitate ist der aktuellen Rechtschreibung angepasst.

Unnützes Wissen: AS hatte einen zahmen Pelikan namens Parseval, über den er sogar ein Buch verfasst hat.

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