Wo sich Urwälder (nicht) finden

Foto: Benedikt Bahl

von Paula Kanzleiter

Als ich ein Kind war, dachte ich noch, dass Urwälder in meinem Leben eine große Rolle spielen würden. Schließlich tauchten sie auch überall auf: In den Geschichten, die ich las, in den Dokumentationen, die ich mit meiner Mama schaute, und in dem, was wir in der Schule über die Welt lernten. Urwälder wirkten wie ein riesiger Raum für alle möglichen Abenteuer. Heute denke ich nicht mehr so oft an sie. Klar, ich weiß, dass Urwälder wirklich wichtig für das Klima sind. Aber in meinem Alltag begegnen sie mir nicht. Warum eigentlich?

Ein Teil der Antwort ist sicher, dass es hier bei uns kaum noch Urwälder gibt. Ich kann nicht aus der Tür gehen und zum nächsten Urwald laufen, ich müsste wahrscheinlich in ein anderes Land reisen, um einen zu finden. Und auch auf unserem Kontinent, Europa, gibt es kaum noch Urwälder. Das hat verschiedene Gründe. Ein Urwald, das ist ein Wald, der vom Menschen fast gar nicht beeinflusst wird. In manchen Teilen der Welt ist der Urwald bereits Millionen Jahre alt – in ihm haben schon Dinosaurier gelebt! In Europa gibt es keinen Wald, der so alt ist. Hier hat die letzte Eiszeit vor ein paar zehntausend Jahren dafür gesorgt, dass so alte Wälder verschwunden sind. In anderen Teilen der Welt konnten kleine Teile des Urwalds überleben und sich nach der Eiszeit wieder ausbreiten. Der Urwald ist also eine Welt für sich – eine Welt, die sich selbst gestaltet. Man nennt das auch ›Ökosystem‹. In manchen Urwäldern leben noch Ureinwohner*innen, die es schaffen, Teil dieser Welt zu sein. Sehr früh in der Geschichte des Menschen haben wir aber auch schon angefangen, in Wälder einzugreifen und sie zu gestalten. Als die ersten Menschen sesshaft wurden, brauchten sie den Boden, um Essen anzubauen und Tiere zu halten. Und das Holz wurde gebraucht, um Energie zu gewinnen und zu bauen. Es gibt viele Beispiele in unserer Geschichte, in der die Menschen den Wald genutzt haben, um große Projekte zu schaffen. Ohne ihn könnten wir nicht so leben, wie wir heute leben. Es ist also wichtig, dass wir uns gut um unsere Wälder kümmern, egal, ob Urwald oder nicht. Und wie wir als Pfadfinder*innen wissen: Jeder Wald kann ein Raum für alle möglichen Abenteuer sein.

P.S.

Einer der letzten Urwälder Europas, der Białowieża-Nationalpark, liegt im Nordosten Polens, an der Grenze zu Belarus. Auch das nächste Weltpfadfindertreffen, das World Scout Jamboree wird 2027 in Polen stattfinden. Vielleicht lässt sich das mit einem Besuch im echten Urwald verbinden?

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