Replik zu Zoo (pro und contra)

Foto: KI

Liebe Redaktion,

liebe Judith, liebe Lena,

erst einmal freue ich mich sehr, dass die anp ein so schwieriges Thema wie die Sinnhaftigkeit von Zoos aufgreift. Noch ein bisschen mehr freue ich mich, dass Judith auf das ACCB verweist, für das ich seit 2017 einen Teil der Verantwortung trage und die Entwicklung mitgestaltet habe.

Umso stärker enttäuscht es mich etwas, dass ein so wichtiges Thema nur an den Orang-Utans, einer absoluten Flaggschiffart, aufgebaut wird. Zum einen haben wir eine sehr starke emotionale Bindung zu Menschenaffen, zum anderen ist es durch die Emotionalität leichter über die Bedeutung der Zoos hinweg zu schauen.

Aber um auf das Thema einzugehen: natürlich wildern wir derzeit keine Orang-Utans in Asien aus. Das liegt aber in erster Linie daran, dass Auswilderungen einen Sinn ergeben und nachhaltig wirken sollen. Denn, Auswilderungen scheitern in der Regel nicht daran, dass Zoos es nicht können oder man die Tiere nicht auswildern kann, sondern weil die Gesellschaft in der jeweiligen Region nicht so weit ist oder die Bedrohungen, die zur Dezimierung der Art geführt haben, noch vorhanden sind. Und das ist bei allen drei Arten des Orang-Utans der Fall. Dies findet sich auch in den so genannten „IUCN Guidelines“ der Weltnaturschutzunion, die ein Regelwerk für Auswilderungen formuliert hat, an das sich die seriösen Zoos halten.

Und es gibt ja auch bei uns ein Negativbeispiel: der Wisent, immerhin das größte Landsäugetier Europas – quasi unser Elefant. Alle Wisente, die heute leben gehen auf zwölf Tiere zurück, die in Zoos überlebt hatten, denn der Wisent war in der Natur ausgerottet. Nach erfolgreichen Auswilderungen hat die Art im Osten ihres Verbreitungsgebietes wieder so gut Populationen aufgebaut, dass sie „nur“ noch als bedroht eingestuft wird. Eine Auswilderung in Deutschland ist aber durch den Mensch–Tier Konflikt gescheitert. Dies ist auch ein Beispiel dafür, dass man für die Auswilderungen von Großsäugern große Schutzgebiete oder die Lösung des Mensch–Tier Konflikts benötigt. Und damit löst sich auch etwas das Argument auf, dass man nur Geld in die entsprechenden Regionen schicken muss, um dort die Schutzgebiete und Auswilderungen zu finanzieren. Im Fall der Wisente gab es Entschädigungen für die verursachten Schäden.

Das Argument „man nimmt das Geld der Zoos und gibt es den Ländern mit den bedrohten Arten, um vor Ort zu schützen“ ist leider immer sehr leicht gesagt und wird von Zoogegnern gerne als der „einzig richtige Artenschutz“ dargestellt. Leider ist dies aber zu kurz gedacht und entspricht auch leider nicht der Realität. Und in der Realität muss der Artenschutz vor allem eines sein: pragmatisch.

Man kann dieses Argument immer sehr schön an Arten wie den Orang-Utans glaubhaft darstellen, was auch daran liegt, dass es kaum hinterfragt wird. Gerade Orang-Utans sind aber Flaggschiffarten, die mit viel Geld durch NGOs geschützt werden – national und international. Sie haben eine emotionale, politische und finanzielle Lobby – und dennoch scheitert man.

Was aber ist zum Beispiel mit dem Schwarzband-Kärpfling Limia nigrofasciata, einer kleinen Fischart auf Haiti. Wie die Orang-Utans auch wird er als kritisch von der Ausrottung bedroht angesehen. Er hat keine Lobby, keine nationale NGO die sich um ihn kümmert und Haiti ist ein korruptes und vor allem instabiles Land. Bedroht ist er auch, weil sich durch die Abholzung für Brennholz zu viele Sedimente in den Gewässern anreichern. Die Bevölkerung müsste also animiert werden, weniger Holz zu schlagen und es müssten Alternativen gefunden werden. Insgesamt ein teures und langwieriges Unterfangen.

Oder Sulawesi. Der Evers Reisfisch Oryzias eversi steht wahrscheinlich kurz vor der Ausrottung. Auf Sulawesi gibt es eine Nature NGO, die aber erst seit ein paar Jahren und noch ohne die Kapazität sich um diesen Fisch zu kümmern. Zumal man den Lebensraum erst wieder herstellen müsste und Menschen erklären müsste in dem Teich nicht mehr zu baden und eingeschleppte Fische nicht mehr zu füttern. Das kann man alles mit Geld machen, aber es braucht Personal und Zeit. Und Zeit hat der Evers Reisfisch nicht mehr.

Oder der Klasio-Regenbogenfisch Melanotaenia klasioensis auf Papua-Neuguinea. Der Fisch bewohnt einen nur ein wenige Kilometer langen Bachabschnitt, der von einem Zementwerk ausgetrocknet wird. Auch hier wird Zeit benötigt, um die Wasserentnahme für das Werk so nachhaltig zu gestalten, dass der Fisch eine Überlebenschance hat.

Und wieviel Zeit es braucht, um einen Mensch-Tier Konflikt zu lösen sieht man auch im reichen Deutschland, wo Arten wie Wolf, Fischotter, Luchs und ähnliche von verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht erwünscht sind. Und emotionale Debatten wie um den Wolf erschweren zusätzlich ein gemeinsames Vorgehen, denn für dieses Vorgehen müssten alle zu Kompromissen bereit sein. Und auch bei uns sterben Arten aus. Brunnenschnecken, Tobias Köcherfliege oder Bodensee Kilch sind Arten, die wir für immer verloren haben.

Das ist in Asien nicht anders. Zumal auch die Gesellschaft in solchen Themen dort noch nicht so weit sensibilisiert ist, wie Teile der europäischen Gesellschaft. Im kambodschanischen Khmer gibt es beispielsweise kein Wort für Tierschutz. Wie kann man da erwarten, dass man Artenschutz nur mit Geld lösen kann. Zumal der Raubbau an der Natur, beispielsweise Tropenholz, Tierprodukte oder Naturmedizin, das deutlich höhere Einkommen bringt. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Schildkröten, die in Asien in unvorstellbar großen Mengen gegessen, zu Medizin verarbeitet oder als Haustiere gehalten werden. In einer solchen Intensität, dass heute 60 % der weltweiten Schildkrötenarten bedroht sind, in Asien die Populationen rapide zurück gehen und einzelne Arten wohl schon ausgerottet worden und zudem Schildkröten aus der ganzen Welt nach Asien geschmuggelt werden. Ein Verbot des Verzehrs von Schildkröten hätte in China wahrscheinlich eine ähnliche Dimension, wie wenn man in Deutschland das Schnitzel verbieten würde. Es braucht also auch hier die Zeit, die eine Gesellschaft zum Umdenken braucht. Ich mutmaße aber, dass wir ohne Zoos und die Tierhaltung die meisten der Schildkrötenarten verlieren werden. Der Allwetterzoo hat daher zum Beispiel einen Fokus auf diese Artengruppe gelegt und ein Schildkrötenzuchtzentrum etabliert und auch im kambodschanischen Angkor Centre für Conservation of Biodiversity (ACCB), einem weiteren Artenschutzzentrum des Allwetterzoos, liegt hier in Fokus in den Artenschutzprogrammen.

In Kambodscha gibt es keine Ausbildung zum Tierpfleger und auch sonst kein Wissen über die teils sehr komplizierte Haltung von Tieren, geschweige denn eine gute Infrastruktur. Wir arbeiten dort mit Tierarten wie dem Riesenibis, dem Weißschulter Ibis oder der dortigen Unterart der Bengaltrappe, von denen es keine 1000 Individuen mehr gibt. Bei den Bengaltrappen ist die Situation mittlerweile so schlecht, dass sich die Behörden, die Naturschutzorganisationen und das ACCB entschlossen haben Tiere der Natur zu entnehmen, um eine Reservepopulation in der Haltung des ACCB aufzubauen. Der Hauptgrund ist, dass sich auch die Lebensräume in den eigens geschaffenen Schutzgebieten zunehmend verschlechtern. Alle drei Vogelarten sind deutlich stärker bedroht als alle drei Orang-Utan Arten aber haben eine deutlich kleinere Lobby und wecken nur bei wenigen Menschen ähnliche Emotionen. Daher machen wir im ACCB nicht nur Artenschutz, sondern auch Umweltbildung und selbst in einem noch „naturnahen“ Land wie Kambodscha haben die Menschen viele ihrer Arten in der Natur noch nie gesehen. Nur über diese Emotionen kann man die Idee wecken, dass man Arten schützen muss, denn wir sind mitten in einem der größten Artensterben der Erdgeschichte und gerade hier wird die Rolle der Zoos eine entscheidende sein.

Und dann gibt es Arten, bei denen der alleinige Schutz der Lebensräume keine Hilfe wäre. Zum Beispiel beim heimischen Feuersalamander, der durch den Hautpilz Bsal bedroht wird. Wo er auftritt, kommt es zu Massensterben, so das ganze Populationen ausgelöscht werden können. Hier sind sich mittlerweile alle einig, dass wir gar nicht drumherum kommen werden Tiere in die Haltung zu überführen, um Reservepopulationen aufzubauen, wenn wir den Feuersalamander erhalten wollen. Ein ähnlicher Hautpilz, Bd, hat in Mittelamerika bereits zahlreiche Froscharten ausgerottet. Ähnlich trifft es gerade die asiatischen Pustelschweine, die gerade mit der eingeschleppten Afrikanischen Schweinepest konfrontiert werden und es auch zu Massensterben kam.

Und das alles darf nicht darüber hinweg gehen, dass wir in den Zoos eine gute und tiergerechte Haltung aber auch ein Tiermanagement ermöglichen müssen. Deswegen ist es gar nicht abwegig 22 Millionen Euro in eine gute Orang-Utan Haltung zu investieren. Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, ob man das nur macht, weil es eine Flaggschiffart ist und ob man das Geld nicht besser in die Zucht von Schildkröten, Süßwasserfischen oder Amphibien investieren sollte. Meine Meinung ist hier sehr klar und ich bin der Meinung, dass Zoos viel stärker in das Besuchererlebnis Arterhaltungszucht investieren müssten. Schon allein um das Thema Artensterben, die größte gesellschaftliche Herausforderung des kommenden Jahrhunderts, besser in die Gesellschaft zu transportieren. In jedem Fall aber ist es eine Investition in die gute Tierhaltung.

Und natürlich halten Zoos auch unbedrohte Arten, die auch dazu dienen Besuchende in den Zoo zu locken. Tierhaltung ist teuer und muss finanziert werden. Allerdings bedeutet Artenschutz nicht, dass man sich nur um bedrohte Arten kümmert, denn das Artensterben macht es mittlerweile nötig, dass man auch regional verschwundene Populationen von an sich nicht bedrohten Arten wieder aufbaut. Beispiele dafür sind die Auswilderungen der Bartgeier in den bayerischen Alpen und der Gänsegeier in Südfrankreich und auf dem Balkan.

Aber natürlich muss man auch zugeben, dass es trotz guter Tierhaltung zu Verhaltensstörungen bei Tieren kommen kann und auch kommt. Allerdings will kein Zoo und vor allem keine Tierpflegerin oder Tierpfleger verhaltensgestörte Tiere und daher wird auch kontinuierlich daran gearbeitet Situationen zu verbessern. Dennoch ist es aber ein gutes Argument Zoos zu boykottieren und wird als solches ja auch genutzt. Die Aussage aber, dass Orang-Utans in fast allen deutschen Zoos schwere Verhaltensstörungen aufweisen, ist stark ideologisch übertrieben und ich wüsste keine seriöse Quelle, die das belegt. Und genau das ist aber ein Problem, denn ähnlich wie beim Wolf prallen sehr starke ideologische Vorstellungen aufeinander die eine notwendige sachliche Debatte schwer möglich machen.

Und diese sachliche Debatte ist von Nöten, weil das Problem des Artensterbens, bzw. das Problem der Ausrottung der Arten zunimmt und damit Zoos noch stärker an Bedeutung gewinnen. Und natürlich müssen wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir bisher nur ein paar Dutzend Arten wirklich gerettet haben, während hunderte pro Tag ausgerottet werden. Das ist richtig, täuscht aber auch darüber hinweg, dass es nicht leicht ist eine Art gezielt zu erhalten. Vor allem weil das oft auch die Entscheidung enthält, dass man sich um andere Arten nicht mehr bemühen kann. Daher muss es natürlich der Ansatz sein, dass man die Lebensräume erhält. Wie aber oben dargestellt braucht es dafür auch Zeit und Zoos bieten die Möglichkeit uns diese Zeit zu verschaffen. Denn Auswilderungen sind machbar, wenn die Gesellschaft dazu bereit ist.

Liebe Grüße

Philipp

VCP-Blog